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Gorlebener Gebet

Atommüll – An diesem Sonntag passt das Gorlebener Gebet nicht mehr an seinen gewohnten Andachtsplatz im Wald. Rund 250 Menschen sind gekommen, Männer und Frauen in Wanderschuhen, Ältere mit Klappstühlen, Jugendliche in bunten Winterjacken. Sie stellen sich mitten auf den Weg. Der Platz im Wald vor den drei Holzkreuzen ist zu klein an diesem Sonntag.

Viele sind zum ersten Mal hier, sind neugierig, was das wohl sein soll: das Gorlebener Gebet. Andere kommen seit mehr als 20 Jahren Sonntag um 14 Uhr in den Wald hinter dem Erkundungsbergwerk, und zwar so oft wie sie können. Seit 1989 ist noch nie eine Andacht ausgefallen. Im Sommer sind 30 bis 40 Menschen da, im Winter um die 20, erzählt Organisatorin Christa Kuhl. Egal, ob die Sonne brennt oder eisiger Wind durch die Schneise pfeift. An diesem Sonntag ist es kalt, aber die Sonne scheint. Die Teilnehmer stehen im Kreis auf dem Waldweg, es ist unruhiger als sonst. In der Nähe haben sich hunderte Menschen zur Sitzblockade niedergelassen, Botschaften werden über Megaphone durchgegeben, Polizisten und Reporter sind da. Doch die Betenden lassen sich nicht stören.

Stefan und Nadia El Karsheh sind an der Reihe. Das Pastoren-Ehepaar beginnt mit einfachen Liedern mit Gitarrenbegleitung. Strom gibt es hier nicht, die Predigt der beiden muss trotz der Unruhe an diesem Sonntag ohne Lautsprecher verstanden werden. Sie wird verstanden, denn die beiden Wendländer wissen, was Demonstranten brauchen. In der Predigt geht es um den Propheten Elia, den Mann, der sah, was andere nicht sahen, der von Gott beauftragt war und in dieser Rolle als Sonderling galt. „Auch wir hier im Wendland haben einen Prophetenauftrag. Protestieren ist anstrengend. Wir sehen etwas, was andere nicht sehen und haben den Auftrag, es anderen zu erzählen. Und wir sind auch sonderbar“, sagt Stefan El Karsheh. Die Einheimischen lächeln. Die Besucher, die von weiter her gekommen sind, nicken, denn an diesem Wochenende verstehen sie die besonderen Wendländer und ihren standhaften Protest gegen den Castor. Jetzt hier beim Gorlebener Gebet stehen sie nur wenige hundert Meter von der Lagerhalle mit den strahlenden Abfällen entfernt. Die Hallen des Erkundungsbergwerks können sie sehen, und auf dem Weg hierher haben sie erlebt, was es heißt, dass 17.000 Polizisten im Einsatz sind: Sie stehen im Wald, an Brücken, an Straßenkreuzungen. Ausnahmezustand im sonst so ruhigen Kreis Lüchow-Dannenberg mit seinen idyllischen Backstein-Dörfchen. Unruhe, Stress. Sie wollen keinen Atommüll, und sie wollen keine Transporte mehr.

Das Protestieren ist anstrengend. Jedes Jahr wieder Demos, Kundgebungen, Sitzblockaden, Treckerblockaden. Dazu der Frust über „Entscheidungen der Regierung“, Nadia El Karsheh meint die Verlängerung der Atomlaufzeiten, die dem Wendland unzählige weitere Protestaktionen bringen wird. Es ist anstrengend, zermürbend, frustrierend. Bei vielen hier liegen die Nerven blank, ihnen geht es wie dem Propheten Elia: „Er hat sich zum Sterben hingelegt. Das ist konsequent“, sagt Stefan El Karsheh und will damit natürlich niemanden auffordern, es dem Propheten gleichzutun – im Gegenteil: „Es käme dem Sterben gleich, nichts mehr verändern zu wollen“, so versucht er, Mut zu machen. In der biblischen Erzählung bekommt Elia von Gott etwas zu essen. Er ruht sich aus, isst noch einmal und hat daraufhin Kraft für einen 40-Tage-Marsch. „Gott stärke und bewahre Euch mit seiner Kraft“, sagt der Pastor zu den Versammelten und hebt dabei die Hände zum Segen. Dann gibt es ein Abendmahl, einfache Brotscheiben, von denen jeder ein Stück abbricht und dem nächsten sagt: „Gott stärke dich“.

Stärkung durch das Abendmahl

Sie brauchen diese Stärkung. Sie brauchen den Zuspruch, die Gemeinschaft mit den anderen, die Gewissheit, dass ihr Streiten nicht umsonst ist, und dass alle Wendländer „Sonderlinge“ mit ihrem gemeinsamen „Prophetenauftrag“ in die gleiche Richtung marschieren. In der Fürbitte wird um Beharrlichkeit, Frieden, Kreativität und um Bewahrung der Schöpfung gebeten. Dann geht der Pastor durch die Reihen und legt den Teilnehmern die Hände auf den Kopf zum Segen. Ein bewegender Moment.

Von Anne Kampf

Auszug aus einem Text von der Seite http://www.gorlebener-gebet.de.vu/

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Kindermund: Wenn das Xylofon aus Ost klingelt…

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Mit einem Fünfjährigen trainiere ich die auditive Merkspanne: Er schließt die Augen, ich spiele nacheinander drei Instrumente, und anschließend erzählt er mir (bitte in der richtigen Reihenfolge), was er gehört hat.
Er: „….und dann kam… das Telefon!“ (zeigt auf das Xylofon).

Ein fünfjähriges Mädchen, sonst sehr ruhig, erzählt mir schon begeistert beim Hereinkommen:
„Ich war im Theater! Das heißt `Der Zauberer von Ost‘! Und da war eine Hexe. Und noch mehr Leute, aber die waren bloß verkleidet. Die Hexe, die war echt!!!“

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Die Theorie zu den „Gute-Laune-Tricks“ – warum es wichtig ist, das Spielen zu bewahren

Stehen zwei Männer im Foyer der Kirche und schauen dem Kind zu, das begeistert eine Schiebetür an einem halbhohen Schrank öffnet und schließt – im Rennen, den ganzen Schrank entlang, immer auf und zu. Sagt der Ältere von beiden:
„Noch mal Kind müsste man sein.“
Antwortet der Jüngere: „Es hält dich keiner davon ab, mit innerer Begeisterung die Schiebetür zu öffnen und zu schließen.“

„Spielräume sind Räume des Lebens. Diese Erkenntnis ist uns leider zunehmend abhanden gekommen. >Liebe und Spiel< nennt der chilenische Biologe Humberto Maturana deshalb die vergessenen Grundlagen des Mensch-seins, denen der Mensch seine Existenz verdankt. (…) Auch die fortgeschrittenste Technologie kann weder Luft noch Nahrung noch Liebe und Beziehungen ersetzen, und sie braucht Menschen, deren innere Lebendigkeit und spielerische Erfindungskraft nicht ganz eingeschlafen sind. (…) Zu viele glauben, dass das Spiel dem Ernst des Lebens nicht gewachsen ist, und übersehen, dass ohne dieses Spiel das eigene Leben nicht erfunden worden wäre. (…) Der Verlust von Spielräumen und Spielfähigkeit ist verbunden mit dem Verlust des Möglichkeitssinns. Jede Enteignung basiert darauf, dass Möglichkeiten beschnitten werden. (…)
Spiel ist keine Form bloßen Zeitvertreibs, den wir uns leisten können oder nicht. Spiel ist das Grundprinzip allen Lebens – und Spielräume sind die Räume, in die hinein Leben sich entfaltet. Spielen ist – wie im Althochdeutschen >spelan< enthalten – die suchende Bewegung durch die Welt, eine Lebensbewegung, die keinen ungebahnten Weg scheut, Umwege gerade nicht meidet und zugleich immer auf der Suche ist. Der spielerischen Qualität des Lebens haben wir eine gesellschaftliche Struktur und eine Haltung entgegengesetzt, die Spielräume gar nicht ertragen kann und diese zubaut oder mit sicheren Sitzgelegenheiten voll bestuhlt hat. (…)
Der Verlust der Spielfähigkeit und der Fähigkeit zur Entwicklung von Gegenmodellen und neuen Lebensformen hat eine körperliche, geistige und gefühlsmäßige Panzerung zur Folge: Die Menschen fühlen sich nicht nur zum Sitzen verdonnert, sondern sie sitzen auch noch gerne.“

(Anneli Keil, „Wird Zeit, dass wir leben“ Heinrich Hugendubel Verlag, München)

Ich wünsche mir für jedes Kind, mit dem ich arbeite -und spiele-, dass es das Spielen nicht verlernt, wenn es älter wird. Und für alle Erwachsenen wünsche ich mir, dass sie eine spielerische Haltung dem Alltag gegenüber wieder entdecken.

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Das Geheimnis der Freundschaft

„Freundschaft ist keine Belohnung
für unser feines Gespür
und unseren guten Geschmack,
einander zum Freund zu wählen.
Sie ist das Werkzeug,
mit dem Gott jedem die Schönheiten
der anderen offenbart.“

(C. S. Lewis)

 

„Gemeinschaft entsteht eher an unserer Bedürftigkeit und Schwäche
als an unserer Stärke.“
(sagte einer unserer Pastoren – ob Manfred Kasemann oder Bastian Erdmann, erinnere ich leider nicht mehr)


„Es gibt nichts Schöneres,
als geliebt zu werden,
geliebt um seiner selbst Willen
oder vielmehr: trotz seiner selbst.“

(Victor Hugo)

 

 

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Gute-Laune-Trick 5: Ein Kerzenschiffchen bauen und bei Dunkelheit auf einem Fluss schwimmen lassen

Die hellen Stunden des Tages gehen so schnell vorbei (selbst wenn mal die Sonne scheint), dass man praktisch keine Chance hat, bei Tageslicht draußen zu sein. Egal wann ich Feierabend mache, spätestens beim Verlassen der S-Bahn ist es duster – selbst wenn ich den Heimweg noch im Hellen angetreten habe. Also ist es sinnvoll, die Zeit auch dann zu nutzen, wenn es dunkel ist – ein Spaziergang kann trotzdem Spaß machen, wenn er durch eine nette Aktion aufgewertet wird.
Meine Idee dafür: Aus einem Holzrest ein kleines Boot fertigen, mit einem Teelicht und einem Windschutz bestücken und auf dem nächsten Fluss aussetzen. Erstens macht es Spaß, aus Resten etwas herzustellen, was schwimmt (am besten zu Hause ausprobieren). Zweitens macht es Spaß, den Elementen zu trotzen – indem man um das kleine Teelicht einen Windschutz aus Papier montiert, damit es tapfer leuchten kann. Drittens macht es Spaß, sich eine entsprechende Stelle zu überlegen, wo man es ins Wasser setzt (am besten einen langen Stock unterwegs mitnehmen, um das Schiffchen in die Strömung schieben zu können). Viertens ist es einfach hübsch, dem kleinen Licht auf dem dunklen Wasser hinterher zu schauen – besonders, wenn Freunde oder Familienmitglieder mitmachen und weitere Boote auf dem Fluss schwimmen lassen.

Ein Hinweis zum Schluss: Damit es wirklich schwimmt, braucht das Boot genügend Auftrieb – also ein massives Stück Holz oder ein dickes Rindenstück. Und damit das Schiffchen nicht als „Umweltverschmutzung“ endet, möglichst kompostierbare Materialien benutzen.

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Kindermund: Philosophie über die Dunkelheit und brummelige Wörter

Aus meinem Alltag als Logopädin

Eine Fünfjährige bemerkte während der Therapie bei einem Blick aus dem Fenster:
„Boah, ist das dunkel draußen!“
Ich: „Erstmal wird es immer dunkler, so ungefähr bis Weihnachten, und dann wird es wieder heller.“
Sie: „Das ist, weil Herbst ist.“
Ich: „Ja, da steigt die Sonne nicht so hoch wie im Sommer. Sie kommt so ein bißchen raus, und dann scheint sie kurz, und dann geht sie bald wieder unter.“
Sie: „Und in Schweden, also in Schweeeeden, da ist es jetzt… (überlegt, weiß aber nicht mehr, was sie eigentlich sagen wollte) … da ist es jetzt auch dunkel!“
Ich : „In Schweden ist es noch dunkler als bei uns. Von uns aus ist Schweden im Norden. Und im Norden ist es im Winter sehr viel dunkler. Wenn man weiter nach Norden fährt, bis zum Nordpol, da wird es immer dunkler. Im Winter gibt es dort ein paar Tage pro Jahr, wo es gar nicht hell wird. Weil die Sonne nämlich im Winter nicht im Norden ist. Dafür ist sie im Sommer ganz viel im Norden – so sehr, dass es an ein paar Nächten im Jahr gar nicht dunkel wird.“
Sie: „Ja. Aber jetzt ist es da dunkel.“
Ich: „Sehr dunkel.“
Sie, nachdenklich: „Hm hm.“
Dann plötzlich: „Ich weiß auch, warum es da so dunkel ist! Weil die Sonne nämlich woanders ist! (ruft in triumphierendem Ton) Und die ist in Chile!!!“
Ich schaue verdutzt, sie: „Das stimmt. Das weiß ich! Das sagt nämlich meine Schwester, da ist jetzt Hochsommer, in Chile, und die fährt da bald hin.“
Was manche Kinder alles schon wissen…

Außerdem erzählte ein Junge mir heute etwas von „Gummelstiefeln“ und „Strohreim“ (Strohhalm).

Angesichts der Diskussion über die Dunkelheit ist es sehr einleuchtend, dass so brummelig klingende Wörter wie „Gummelstiefel“ vorrangig im Winter gebraucht werden.

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Im richtigen Tempo

„Alles hat seine Zeit, und die Hauptsache ist, dass man mit Gott Schritt hält und ihm nicht immer schon einige Schritte vorauseilt, allerdings auch keinen Schritt hinter ihm zurückbleibt.“
Dietrich Bonhoeffer

„Herr, lehre uns die Kunst der kleinen Schritte.“
Antoine de Saint-Exupéry

„Die wesentlichen Dinge des Lebens kommen nicht aus uns selbst, sondern auf uns zu.“
unbekannt

„Wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Lehrer.“
unbekannt

Der Weg wächst im Gehen unter deinen Füßen wie ein Wunder.“
Reinhold Schneider

 

 

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Kindermund: Die krumme Logik der Erwachsenen

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin

Ein Junge, 8 Jahre alt, meinte zu mir, als ich das heutige Datum in der entsprechenden Spalte im Rezept notiert hatte und die Mutter wie immer um eine Unterschrift zur Quittierung der Stunde bat:
„Warum schreibst du 12.11.’10? Das muss doch andersrum sein: 10.11.12!“

Ein Fünfjähriger baut mit mir die Brio-Bahn auf und setzt die Waggons auf die Schienen, um sie aneinander zu fügen. Nun fehlt nur noch die Lok. Er stellt sie vor die Waggons und schiebt die Waggons von hinten an die Lok – die ausweicht. Er schaut erstaunt und versucht es noch einmal. Wieder weicht die Lok aus und rollt ein Stück vor. Er, ehrfürchtig und verwundert: „Hua!“
Beim nächsten Versuch ruft er völlig verzückt: „Hua! Die Lok fährt weg! Hua! Ich bin ein Zauberer!“

 

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Gute-Laune-Trick 4: Einen Adventskalender basteln oder eine kleine Überraschung für Jemanden vorbereiten

Die Forschung hat schon oft belegt, dass der Mensch sich an Vorfreude sehr ergötzen kann und diese Vorfreude oft nachhaltiger ist als der darauf folgende Urlaub, das erwartete Geschenk, die ersehnte Hochzeit oder was auch immer.
In Bezug auf den Adventskalender freut sich die kreative Person über die erhoffte Freude der beschenkten Person, die wiederum vor lauter Vorfreude ganz freudig erregt ist (mehr „Freude“ in einem Satz ging nicht 😉 ).

Das, was es als wichtigsten Punkt zum Thema „Adventskalender vorbereiten“ meiner Meinung nach zu sagen gibt, ist:
Entspann dich. Niemand hat festgelegt, dass es genau 24 Geschenke sein müssen. Es dürfen auch 16 sein oder 9 oder 20,5. Völlig egal. Hauptsache, dir macht es Spaß und die / der Beschenkte freut sich.
Wem auch das noch zu aufwendig vorkommt, sei die Idee des Wichtelns ans Herz gelegt:
Man macht einer lieben Person überraschend ein kleines (KLEINES!) Geschenk – am besten heimlich, aber auf dem direkten Wege ist es natürlich auch möglich.
Wer jetzt in Stress gerät, sollte sich ein gutes Buch nehmen und entspannen. Keine Planung. Keine Überraschung. Dafür gute Laune.

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Selbst genähte „Säcke“ zum Verpacken von Geschenken brauchen nicht zwangsläufig traditionelle Weihnachtsfarben haben…