aufmerksam, feminin, glaubhaft

Nicht zuständig

„Frauen erkunden den weiten Garten der Opferbereitschaft.
Dieser Satz ist seit 10 000 Jahren wahr.
Aber jetzt reicht’s. Ich will keine dieser Frauen sein. (…) Millionen von Frauen mussten ihre Hoffnungen aufgeben. Ich werde das nicht tun!“

sagt Celine (gespielt von Julie Deply in „Before Midnight“, zitiert in „Neon 6/2013“)

Ich habe einen neuen Satz, den ich mir vor Kurzem selbst beigebracht habe und den ich noch hart umkämpfen muss, bis er mir wirklich selbstverständlich über die Lippen kommt.
Diese Aussage ist „Ich bin nicht zuständig“ beziehungsweise „Das ist nicht mein Problem“.
Als typische Therapeutin kümmere ich mich auch in der Freizeit um Alles und Jedes, und beileibe nicht nur um meine eigenen Angelegenheiten.
Es gibt unendlich viele Dinge, die „Frau“ übernimmt, kaum dass sie „Mann“ kennenlernt. Noch bevor die beiden wirklich ein Paar sind (geschweigedenn in einer Beziehung leben, die als Langzeitmodell gedacht ist und zusammen gezogen sind), kümmert sie sich um so viele Belange in seinem Leben, dass beide innerhalb weniger Monate nicht mehr wissen, wie es vorher lief:
Eh sie sich’s versieht, stemmt sie im Sinne des eigenen Ehrgeizes gleich zwei Leben und deren Organisation (von gesunder Ernährung bis zu Glückwünschen an (ihr wildfremde) Verwandte alles Themen, die er nicht mag).
Und wozu das alles?
Warum sammeln wir Frauen rechts und links ständig unbezahlte, unbeliebte Aufgaben am Wegesrand, die für immer an uns hängen bleiben, elendig viel Energie verbrauchen und nie honoriert werden?
Weil wir glauben, wir sollten es?
Weil es sonst niemand tut?
Weil wir für eine gesündere, ordentlichere, sauberere, gebildetere Welt kämpfen (und nichts erreichen, außer uns selbst aufzureiben)?
Weil es „die anderen Frauen“ ebenfalls tun – dem Mann neue Socken kaufen und gegen die löchrigen austauschen, der Tochter teure Geigenstunden vom mageren Teilzeitgehalt finanzieren, den Sohn dreimal pro Woche zum Fußballtraining und zurück kutschieren, den Schwiegereltern nette Grüße zukommen lassen, die eigene Mutter regelmäßig anrufen, der Nachbarin im Urlaub den Garten gießen und nebenher die kranke Kollegin vertreten?
Und das alles, ohne je dafür einen Ausgleich oder eine Gegenleistung zu fordern!
Wie blöd sind wir eigentlich, Mädels?

Mir reicht’s.
Ich bin ab heute nur noch für meine eigenen Angelegenheiten zuständig:
Alle anderen Verpflichtungen gehören sortiert und, wenn nötig, gestrichen.
Ich bin für viel weniger zuständig, als andere mir suggerieren.

.
Nachtrag
„Nicht mein Problem“: Warum sagen Männer das so viel öfter und selbstverständlicher als wir?
Und warum dürfen Männer so etwas sagen, wir Frauen aber werden dafür schief angeschaut?

4 thoughts on “Nicht zuständig

  1. Sehr gute Sätze Marie. An die erinnere ich mich auch immer wieder.

    Was tut denn „frau“ so für „man(n)“ kaum, dass sie ihn kennenlernt ?

    Allerdings frage ich mich, wenn man Mutter ist und Kinder hat bzw. aus der Kinderperspektive gucken würde, ob eine Mutter, die dies alles tut (irgendwo hinfahren/abholen, Mittag kochen etc.) nicht unbezahlbar, im positiven Sinne ist.

    Ich kann (wie so oft) beide Seiten nachvollziehen. Einerseits, dass man sich nicht jeden Schuhe anzieht und ganz aufgibt. Andererseits gibt es sicher genug [jetzt wird es provokativ für manche] am liebsten „selbst“ „verwirklichen“ und sich einen „Dreck um ihre Kinder scheren“ um es mal drastisch auszudrücken.

    Wie würde die Welt aussehen, wenn die Freundin nicht die Katze im Urlaub füttern würde? Dann gäbe es nur noch Dienstleistungsunternehmen. Wie wäre es, wenn man als Kind nirgendwo mehr hingefahren würde (wohl gemerkt, meine ich jetzt nicht die SUV-Mütter, die ihre Kinder 200 m zur Schule fahren, sondern, wenn es wirklich angemessen ist). Hat das alles nicht auch mit Beziehung zu tun ?

    Sicher muss jede für sich den eigenen Rahmen entsprechend der einenen Konstitution und den eigenen Kräften entsprechend finden.
    Aber so gar nicht mehr ?

  2. Ach ja, sind die fett gedruckten Sätze, bes. der letzte, jetzt „deine“ oder aus dem Artikel ?

  3. Das ist mein persönliches Fazit aus 7 Monaten Arbeit und nebenher jeder Menge privatem Engagement ohne Urlaub und ohne Pause.
    Selbst schuld – aber genau darum geht’s: Oft sind wir Frauen an dem, was wir uns klaglos aufhalsen und wie vielen Erwartungen anderer wir gerne entsprechen wollen, selbst schuld.
    Doch: Was wir selbst verantworten, das können wir ebenso selbst ändern.

  4. Gestern habe ich einer Freundin von SportSpaß die aktuellen Programme mitgebracht und später eine Foto-CD für das Barmbeker Bürgerhaus gebrannt, damit sie ein vollständiges Archiv haben.
    Ich tue weiterhin täglich jede Menge Dinge, die nicht bezahlt werden und nicht bezahlt werden brauchen. Freundschaftsdienste sind und bleiben Freundschaftsdienste.
    Die Frage ist: Wie viele? Immer? Und für jedeN?
    Wofür bin ich zuständig und wofür nicht?
    Tatsache ist, dass ich für viel weniger zuständig bin, als ich glaube und als mich andere Menschen glauben lassen.
    Da besser zu differenzieren – das ist mein Ziel.

    Zum Thema Mutter: Da beschreibe ich einfach den Raubbau am eigenen Leben, den ich an anderen Müttern beobachte. Die Konsequenz daraus habe ich nicht zu ziehen…. wie auch immer sie im Einzelfall aussieht.
    Meine These: Mann und Kinder brauchen Liebe, aber sie müssen nicht von vorn bis hinten bedient und verwöhnt werden.

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