aufmerksam, glaubhaft

Vergebung heißt, Freiheit zu gewinnen

Heute saß ich auf dem Balkon, las in John Ortbergs Buch „Jeder ist normal, bis du ihn kennenlernst“ und auf einmal ging mir ein riesiges Licht auf:
Ich habe einer Person vergeben, bei der ich niemals dachte, dass ich ihr vergeben könnte. Und das so umfassend und wie-von-allein, dass ich es gar nicht bemerkt habe. Weil die Vergebung nicht von mir angestrebt wurde, sondern Gott sie mir schenkte.

Sonst hieß es für mich immer „Vergebung ist kein Gefühl, sondern eine Entscheidung.“
Bei manchen Personen habe ich lange und scheinbar ohne Wirkung darum gebetet, dass ich ihnen vergeben kann. In dem Wissen: „Vergebung ist die Macht, welche die Ketten der Bitterkeit und die Fesseln der Selbstsucht zerbricht.“ (Corrie ten Boom)
Oft wollte ich nicht mehr mit all den dunklen Gefühlen leben und versuchte zu vergeben, um mich selbst zu befreien. Um Verletzungen loszulassen und endlich Frieden in bestimmten Ecken meines Lebens einkehren zu lassen.
Vergebung war oft ein zähes Geschäft: Immer wieder neu Anlauf nehmen, immer wieder meinen Stolz überwinden und mein „Ich habe Recht“ beiseite legen. Viele Gebete und wenig sichtbare Veränderung waren die Folge. Manchmal zeigte sich die Mühe, die ich mir gab, um bestimmte Dramen der Vergangenheit hinter mir zu lassen, erst Monate und Jahre später, wenn ich im Kontakt mit bestimmten Menschen weniger verkrampfte als früher.

Als ich heute mit dem Buch auf dem Schoß auf dem Balkon saß, entdeckte ich zum ersten Mal das sprichwörtliche Geschenk der Vergebung:
Gott hatte mir ganz unbemerkt den grauen Schleier aus Verletzung und Wut aus dem Herzen gewaschen. Ich hatte nichts dafür getan, gar nichts. Und dennoch dachte ich an diese Person wie zu den besten Zeiten unserer Freundschaft vor sehr vielen Jahren, als wären die Jahre des Grolls nie gewesen.
Natürlich gibt es immer noch glasklare Erinnerungen, die bis heute schmerzen. Und für die ich mir eine Entschuldigung wünsche. Mich überfiel schließlich keine wundersame Amnesie mit Glücksgarantie, die mein Hirn mit Zuckerwatte füllt.
Aber dass ich mich über die Rückkehr dieser Person in mein Leben freue, dass ich sie auf Gottes Hinweis hin überhaupt eingeladen habe, wieder Teil meines Lebens zu sein, das ist ein riesiges Wunder. Wirklich ein Wunder. Und ich habe die Hoffnung, dass auch mir vergeben wurde. Was ein weiteres Wunder wäre, denn seien wir ehrlich: Vergebung haben wir alle nötig.

Vergebung ist keine einmalige Sache, Vergebung ist ein Lebensstil.
Martin Luther King

aufmerksam

Kindermund: Das Kind hat einen Ton am Leibe…

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Während einer Therapiestunde: Meiner Einschätzung nach halten wir uns gerade zu lange mit dem Malen auf, ohne dass der Vorschüler sprachlich wesentlich davon profitiert. Eigentlich wollen wir unsere Erzählung durch die Zeichnung festhalten, aber er ist so vertieft, dass er kaum Kapazitäten für das Sprechen hat. Also kürze ich die Aufgabe ab und sage:
„So, die Stifte räumen wir schon mal weg, du brauchst ja nur noch Schwarz. Und dann sind wir auch gleich fertig damit,“ während ich zack, zack die Stifte einpacke.
Er keift mich entrüstet an: „Denk mal kurz nach, hä?! Wozu brauch ich alle Farben?!“

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Kindermund: Erkältete Bäume

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Eine Fünfjährige erzählte mir, dass der kleine Baum vor der Haustür ihrer Oma schon alle Blätter abgeworfen habe. Ganz schnell.
Nun machte sie sich Sorgen: „Dann kann der Baum ein bißchen erkältet sein!“

 

aufmerksam

Kindermund: Verbrochene Beine

Aus meinem Alltag als Logopädin:

Eine Vierjährige erzählt mir, dass ihr Kindergarten sich direkt beim Krankenhaus befände. Allerdings ginge sie nicht ins Krankenhaus, sondern nur in den Kindergarten, mit folgender Logik:
„Ins Krankenhaus muss man dann, wenn man das Bein verbrochen hat.“

aufmerksam

Kindermund: Philosophie über die Dunkelheit und brummelige Wörter

Aus meinem Alltag als Logopädin

Eine Fünfjährige bemerkte während der Therapie bei einem Blick aus dem Fenster:
„Boah, ist das dunkel draußen!“
Ich: „Erstmal wird es immer dunkler, so ungefähr bis Weihnachten, und dann wird es wieder heller.“
Sie: „Das ist, weil Herbst ist.“
Ich: „Ja, da steigt die Sonne nicht so hoch wie im Sommer. Sie kommt so ein bißchen raus, und dann scheint sie kurz, und dann geht sie bald wieder unter.“
Sie: „Und in Schweden, also in Schweeeeden, da ist es jetzt… (überlegt, weiß aber nicht mehr, was sie eigentlich sagen wollte) … da ist es jetzt auch dunkel!“
Ich : „In Schweden ist es noch dunkler als bei uns. Von uns aus ist Schweden im Norden. Und im Norden ist es im Winter sehr viel dunkler. Wenn man weiter nach Norden fährt, bis zum Nordpol, da wird es immer dunkler. Im Winter gibt es dort ein paar Tage pro Jahr, wo es gar nicht hell wird. Weil die Sonne nämlich im Winter nicht im Norden ist. Dafür ist sie im Sommer ganz viel im Norden – so sehr, dass es an ein paar Nächten im Jahr gar nicht dunkel wird.“
Sie: „Ja. Aber jetzt ist es da dunkel.“
Ich: „Sehr dunkel.“
Sie, nachdenklich: „Hm hm.“
Dann plötzlich: „Ich weiß auch, warum es da so dunkel ist! Weil die Sonne nämlich woanders ist! (ruft in triumphierendem Ton) Und die ist in Chile!!!“
Ich schaue verdutzt, sie: „Das stimmt. Das weiß ich! Das sagt nämlich meine Schwester, da ist jetzt Hochsommer, in Chile, und die fährt da bald hin.“
Was manche Kinder alles schon wissen…

Außerdem erzählte ein Junge mir heute etwas von „Gummelstiefeln“ und „Strohreim“ (Strohhalm).

Angesichts der Diskussion über die Dunkelheit ist es sehr einleuchtend, dass so brummelig klingende Wörter wie „Gummelstiefel“ vorrangig im Winter gebraucht werden.