aufmerksam, glaubhaft

Arbeit ist nur das halbe Leben

„Wenn ich dir eines über das Leben sagen kann, Bronnie, dann ist es das: Richte dir dein Leben nicht so ein, dass du am Ende bereuen musst, so viel gearbeitet zu haben. Ich kann jetzt sagen, dass ich nicht geahnt habe, wie ich es bereuen würde. Erst jetzt, wo mein Ende direkt bevorsteht. Aber irgendwo in meinem tiefsten Inneren habe ich doch gewusst, dass ich zu viel arbeite. Nicht nur für Margaret, sondern auch für mich. Ich wünschte von ganzem Herzen, es wäre mir damals schon so egal gewesen wie heute, was die anderen über mich denken. Ich frage mich, warum wir bis zu unserem Sterbebett warten müssen, bis wir solche Dinge rausfinden.“
Er schüttelte den Kopf. „Es ist kein Fehler, wenn man seine Arbeit liebt und sich richtig engagieren will. Aber das Leben hat noch so viel mehr zu bieten. Ausgeglichenheit ist wichtig, man muss immer ausgeglichen leben.“
(…)

Nicht lange nach dieser Nacht starb John. Damals wusste ich es noch nicht, aber ich sollte seine Worte noch so oft aus dem Munde anderer Patienten hören. Doch er hatte seine Botschaft klar formuliert, und ich würde sie niemals vergessen.

 

aus:  „Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ von Bronnie Ware

aufmerksam, kreativ

Der Garten von Alma de l’Aigle

Gestern besuchte ich im Rahmen eines literarischen Rundgangs, gestaltet vom Stadtteilarchiv Eppendorf, den Garten von Alma de l’Aigle.

Ich hatte von einem verwunschenen Garten geträumt, der der Öffentlichkeit verborgen ist und nur im Rahmen dieser Führung geöffnet wird – dem war leider nicht so. Ein Großteil des ursprünglichen Gartens war Anfang der 90ger Jahre dem Wohnungsbau zum Opfer gefallen, sodass heute nur noch das hintere Teilstück des Gartens erhalten ist. Es befindet sich auf dem Gelände der „Anscharhöhe“, einem sozialen Träger mit verschiedenen Pflegeeinrichtungen. (http://www.anscharhoehe.de/)

Der Vater von Alma de l’Aigle, Dr. jur. Friedrich Alexander de l`Aigle, hatte vom zunehmend lauter und enger werdenden Stadtleben genug und erwarb 1888 ein ca. 8000qm großes Grundstück vor den Toren Hamburgs von einem Bauern. Dort legte er einen Garten an und versuchte der damaligen Reformbewegung gemäß, sich und seine Familie weitestgehend autark zu ernähren. Er konnte von der Hälfte seines ehemaligen Gehalts als Pensionär leben und erwirtschaftete durch die alten Obstgehölze, die aus ganz Europa stammten, im Sommer einen zusätzlichen Gewinn. Seine drei Töchter waren intelligent und begabt und wurden, soweit ich es vom gestrigen Vortrag erinnere, alle Lehrerinnen. Dabei hatten sie für damalige Zeiten sehr freie Ansichten und gestalteten die Bildung der Kinder nach eigenen Maßstäben. So durften die Kinder im Unterricht jede Körperhaltung einnehmen, die ihnen gefiel und diese immer wieder wechseln. In Zeiten von Disziplin und Gehorsam waren dies sehr ungewöhnliche Maßnahmen. Eine Zeitzeugin berichtete aus ihrer Schulzeit und erzählte, dass sie und ihre Mitschüler immer zum Kichern nach draußen geschickt wurden, wenn sie der Drang zum Lachen überkam. Verglichen mit damals üblichen Vorgehensweisen gegenüber ungebärdigem Benehmen waren dies sehr freundliche Regeln. Die Töchter veranstalteten Tanzabende und Feste in dem Garten, und Alma schrieb bezaubernde Bücher über den Garten, die Rosen und für Kinder über die darin lebende Tiere. Da jedoch später keine der Damen im Haus der (inzwischen verstorbenen) Eltern wohnte, verwilderte der Garten zusehends, während sie ihm ab und zu Besuche abstatteten. Keine der Schwestern heiratete, obgleich sie viele Verehrer zu haben schienen.

Leider konnte der Garten als Ganzes trotz entsprechender Verfügungen im Testament nicht der Nachwelt erhalten bleiben, aber ein Rest ist zu besichtigen – wenn man im Lokstedter Weg 100 in den Durchgang zur Anscharhöhe einbiegt und sich dann hinter dem alten Wirtschaftsgebäude links hält, findet man ihn.