aufmerksam, feminin, glaubhaft

Überwältigt von Dankbarkeit: Wie aus einer kurzen Mail ein Wunder im Alltag wird

Wie aus einem kleinen Gedanken ein kraftvoller Lichtblick entsteht:

Aktuell spüre ich bei vielen alten Menschen, mit denen ich arbeite, eine große Sehnsucht nach Austausch: Über spirituelle Themen, über die Sehnsüchte des Herzens, über die großen Fragen des Lebens. Mindestens ein Mal pro Monat gestalte ich ein abwechslungsreiches Heft mit Bibeltexten, Liedern und Mitmach-Aktionen, das ich interessierten BewohnerInnen der Senioren-Residenz ins Appartement bringe. Doch angesichts der Einsamkeit durch Corona ist das neben Einzelgesprächen nur wenig, was ich bieten kann.

Daher schrieb ich eine Nachricht an die christliche Frauenzeitschrift Lydia, ob es irgendwie möglich sei, dass sie mir 40 Exemplare aus dem Archiv schicken könnten- sie brauchen nicht aktuell sein. Oder ob ich einen größeren Posten überzähliger Magazine auf Rechnung erhalten könne, um sie an die spirituell interessierten Damen zu verteilen.
Heute hatte ich Sonntagsdienst, und mich erwartete im Büro ein riesiger Karton aus dem Verlag. Nur wenige Tage nach meiner Mail entdeckte ich darin 50 originalverpackte Zeitschriften, in drei Stapeln war jeweils eine Ausgabe aus dem vergangenen Jahr enthalten. So konnte ich heute durch die gesamte Anlage laufen und allen Bewohnerinnen, die auf meinem Verteiler standen, eine Zeitschrift durch den Briefschlitz schieben.
Es waren sogar noch Exemplare übrig, um sie in der hauseigenen Bibliothek sowie der Rezeption für Gäste auszulegen.

Vor Dankbarkeit war (und bin) ich ganz überwältigt.
Dass ein Verlag zehn Exemplare als Verteilaktion rausgibt – das hätte ich erwartet. Aber 50 Exemplare, zehn mehr, als ich erbeten hatte? Ich bin völlig geflasht. Noch nicht einmal das Porto für die große Kiste brauchte ich übernehmen.
Danke an den Verlag und danke an Gott, dass solche Wunder möglich sind.
Dafür hat es nur die Überlegung gebraucht, wie ich den SeniorInnen eine Freude machen kann, und die hoffnungsvolle Frage an die passende Adresse, ob ich dort Unterstützung finde.
Wen kannst du heute durch einen kleinen Lichtblick positiv berühren?

aufmerksam, glaubhaft

Großzügig sein

Im November dachte ich mir für mein Montagnachmittag-Programm einen Sterne-basteln-Plan aus: Ich wollte eine abwechslungsreiche Kreativstunde mit bunten Sternen und fröhlichen SeniorInnen gestalten. Dazu durchsuchte ich diverse Bastelbücher nach Anleitungen zum Falten von einfachen, aber dennoch effektvollen Sternen. Schließlich sollten sie mit wenigen Handgriffen auch stark sehbehinderten SeniorInnen mit arthritischen Fingern gelingen. Das war ein Heidenaufwand, aber am Ende hatte ich eine schöne Auswahl zusammen und nach weiterem langen Suchen auch das passende Material aufgetrieben.
So wollte ich munter mit den Damen loslegen, als sich eine meldete und meinte, sie habe hier ein Papierkörbchen, dass sich ganz einfach anfertigen ließe und wirklich schnell gelinge. Sie wolle uns alle dazu anleiten. Jetzt, es ginge ganz fix.
Das bezweifelte ich zwar, aber wer bin ich, einer alten Dame zu sagen: „Nö, ich habe meine Kreativaktion didaktisch sinnvoll mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad aufgebaut und ich lasse mir von Ihnen nicht den geselligen Nachmittag zerschießen?“ Eben. Das tut man einfach nicht.
Also ließ ich sie machen, wusste allerdings selbst nicht, was genau sie vorhatte und gab mein Bestes, alle Anwesenden über das auf dem Laufenden zu halten, was sie tief gebeugt unter ihren steifen Fingern zusammen frickelte.


Am Ende fehlten mir zwanzig Minuten von gesamten sechzig, aber die Dame war glücklich, uns etwas beigebracht zu haben, und mein eigenes Programm änderte ich eben ab. Es war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte, aber meine Güte, es kontrollierte ja niemand, wie viele verschiedene Faltsterne wir tatsächlich produziert hatten!

Sechs Wochen später verstarb die Dame.
Und ich dachte mir, wie gut, dass ich ihr die Zeit gegeben habe, den anderen Damen etwas vorzuführen, was ihr wichtig war und Freude gemacht hat.
Niemand wird mich jemals fragen, ob mein Sterne-bastel-Nachmittag so gelang, wie ich es geplant hatte. Aber für diese Dame wird es, denke ich, einen großen Unterschied gemacht haben, ob ihr Wunsch sich erfüllt hat oder nicht.
Manchmal können wir einfach einen Schritt von unserem Ego zurücktreten und großzügig sein. Natürlich kann das auch daneben gehen, besonders, wenn es sich um Personen handelt, die wir nicht oder nur oberflächlich kennen. Aber wie schlimm kann´s schon kommen? Und wie wahrscheinlich ist es dagegen, dass wir jemandem eine Freude machen?

aufmerksam

Nachbarschaftsaktion im Treppenhaus: Mirabellenernte teilen

Schräg vor dem Haus steht ein Mirabellenbaum, der jedes Jahr unterschiedlich viele Früchte trägt, aber immerhin: Er steht mitten in der Stadt und fruchtet.
Nun wohne ich hier seit gut sieben Jahren und habe es bisher nicht ein Mal geschafft, ihn abzuernten. Ich habe es mir häufig vorgenommen und dann doch nie getan. Wenn es mir beim ersten Frost einfiel, war es längst zu spät…
In diesem Jahr (das wohl das letzte hier in der Wohnung ist) bin ich auf meiner kleinen Klappleiter mit den drei Stufen so weit nach oben gestiegen, wie ich konnte, und habe wackelig-schwankend Mirabellen gepflückt. Die meisten hingen viel zu hoch, aber einige habe ich doch erwischt.

 

 

Anschließend wurden sie in Plastik-Becher, die ich mal für nicht vorhandene Kinder besorgt habe, gefüllt und mit einem einladenden und erklärenden Zettel ins Treppenhaus gestellt.

 

 

Am nächsten Tag, als ich von der Arbeit kam, waren alle verschwunden – meine Hoffnung, dass ich stattdessen ein Stück Mirabellen-Kuchen vorfinde, hat sich leider nicht erfüllt… 😥