aufmerksam, feminin, glaubhaft

Fehlende Lobby für TherapeutInnen

Im Rahmen der Protestaktion „Die Logopädie geht baden“ entstand ein Gespräch mit Vertretern der Interessensgemeinschaft „Freie Therapeuten“

therapeutenonline (+o): Was machen die Freien Therapeuten?

Freie Therapeuten: Die Freien Therapeuten sind eine Interessengemeinschaft selbstständiger Heilmittelerbringer. Wir setzen uns ein für die Belange von Logopäden, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten und Podologen.

Unsere drei Hauptforderungen: Wir fordern die Abschaffung der Richtgrößen! In Anbetracht der Überschüsse der Krankenkassen in Milliardenhöhe sehen wir die Budgetierung nicht mehr gerechtfertigt.

Wir fordern eine bessere Vergütung! Wir Heilmittelerbringer machen nur rund 3% der Gesamtausgaben im Gesundheitsbereich bundesweit aus. Letzte Daten aus 2012 zeigen, dass wir Logopäden davon alleine nur geschätzte 0,3% ausmachen. Es kann nicht angehen, dass wir dafür bestraft werden und für einen Netto-Lohn von13 Euro die Stunde arbeiten.

Wir fordern eine Vereinfachung der Bürokratie! Durch den Gesetzesgeber unterliegen wir der Prüfpflicht von Verordnungen. Es ist wirklich schwierig, durch diesen Kram noch durchzukommen und ich nenne das ganz bewusst ‚Kram’. Es kostet uns viele Nerven und viel Zeit, welche wir nicht bezahlt bekommen.

Viele unserer Kollegen stehen vor einer echten Existenzbedrohung, egal, ob angestellt oder selbstständig. Heute eine Praxis zu führen bedeutet Luxus. Man muss einen guten finanziellen Background haben, um das überhaupt noch leisten zu können.

+o: Sie beschreiben die Situation als untragbar. Was sollten die betroffenen Therapeuten aus Ihrer Sicht tun, um etwas zu verändern?

Freie Therapeuten: Die Therapeuten sitzen zu viel da und jammern. Wir müssen mutiger sein, mehr auf die Straße gehen, so wie heute zum Beispiel. Aber ganz im Gegenteil: Viele Therapeuten treffen sich in irgendwelchen Foren und jammern über immer dasselbe Thema. Wenn es dann darum geht, mal eine Aktion zu starten, dann kann Keiner.

Dass hier heute über 200 Leute gekommen sind, wundert uns wirklich, aber freut uns natürlich auch total. Aber es muss mehr werden! Wir müssen mehr Mut und Selbstbewusstsein haben und für uns einstehen, so wie das zum Beispiel auch die Hebammen machen.

+o: Wie hat Ihnen die Aktion „Die Logopädie geht baden“ gefallen? Was sagen Sie zu den Statements der Politiker?

Freie Therapeuten: Die Politiker sehen ja immer alles ein und wissen von der schwierigen Situation. Jetzt gilt zu prüfen, ob sie ihren Worten Taten folgen lassen. Horst Seehofer selbst sagt, dass das, was vor den Wahlen gesagt wird, nach den Wahlen nicht mehr gilt. Das wissen wir ja schon seit Jahren. Ich habe beim Zuhören gemerkt, wie mir der Hals schwillt. Das ist natürlich alles Geschwafel. Da passiert gar nichts, wenn wir selbst nicht dran bleiben.

Sehr interessant war ja auch zu sehen, dass keiner der Politiker die Frage beantworten konnte, was eine Logopädin eigentlich macht. Sie sagen uns wie toll wir sind und wie viel Wertschätzung wir verdienen, aber was wir wirklich tun, weiß keiner.

Die Politiker sagen, man müsse über die Budgetierung reden. Darüber muss man gar nicht reden! Die Krankenkassen haben einen Milliardenüberschuss. Warum muss man da noch über Richtgrößen sprechen? Das Geld ist doch da!

Wir Heilmittelerbringer haben ja auch einen volkswirtschaftlichen Wert. Viele unserer Patienten werden durch unsere Arbeit wieder in den Arbeitsprozess gebracht und fallen dem Staat somit nicht mehr zur Last.

Unsere Arbeit muss honoriert werden! Wir können unsere Mitarbeiter bald nicht mehr so bezahlen, dass sie einigermaßen davon leben können und wir sprechen hier nicht von Luxusgehältern. Viele kratzen am Existenzminimum. Da bekommt mancher Fabrikarbeiter, der nie einen Beruf erlernt hat, mehr als ein Therapeut, der sich nach jahrelanger Ausbildung mit Menschen beschäftigt. 1200 Netto für eine 40-Stunden-Woche, das ist eine Zumutung!

+o: Welche Forderungen stellen Sie an die Politiker?

Freie Therapeuten: Ich glaube nicht, dass sich die Politiker Gedanken über uns und unseren Beruf machen. Es geht scheinbar eher darum, den eigenen Hintern zu retten und das eigene Ego aufzublasen.

Das Einzige, das die Politik gemacht hat, ist die Bindung an die Grundlohnsumme. Wir dürfen ja nur nach der Grundlohnsummensteigerung eine Tariferhöhung  bekommen und die ist dann ja auch noch Verhandlungssache.

Der CDU-Politiker hat gesagt, die Tarifverhandlungen finden zwischen Ärzten, Krankenkassen und unseren Verbänden statt. Das stimmt aber nicht! Unsere Verbände haben da nur ein Anhörungs- aber kein Mitbestimmungsrecht! Verhandelt wird das zwischen dem gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen. Die entscheiden also im Endeffekt darüber, wie unsere Leistungen vergütet werden.

Wir müssen uns eine Lobby erarbeiten, sind aber ja gerade auf einem ganz guten Weg dahin!

+o: Vielen Dank für das interessante Interview!

 

gefunden auf http://therapeutenonline.de/branchennews/berufspolitik/details/artikel/die-logopaedie-geht-baden-die-freien-therapeuten-im-interview-zur-berufspolitischen-lage/

 

Kerstin von Heyden im Gespräch mit Corina Keller, Thomas Etzmuß und Evi Kaiser