aufmerksam, glaubhaft

Das wahre Leben der Logopädinnen

Nachdem ich heute genau ein Mal zu viel den Satz Aber ich dachte, Logopädin ist so ein schöner Beruf!“ gehört habe, kommen hier Insider-Informationen für alle Mädchen, Frauen und Umschülerinnen, die mit diesem Berufswunsch liebäugeln. Auch alle treusorgenden Mütter, die ihrer Tochter einen sozialen Beruf mit Teilzeitoption für die ersten Elternjahre wünschen, erfahren hier die wichtigsten Fakten zum Arbeitsalltag. Ebenso Damen aus der Berufsberatung, die immer noch nicht wissen, was Logopädinnen wirklich tun. Da 98% der Sprachtherapeutinnen Frauen sind, verwende ich grundsätzlich die weibliche Form (die 2% männlichen Logopäden sind interessanter Weise fast alle in Leitungspositionen, im Gegensatz zum Gros der weiblichen Kolleginnen).
Vorab zu mir: Ich habe über sechs Jahre als angestellte Logopädin in zwei niedergelassenen Praxen in Hamburg gearbeitet. Im Krankenhaus habe ich ein Praktikum absolviert, jedoch war ich dort nie angestellt. Insofern beziehen sich meine Aussagen alle auf einen Job als Mitarbeiterin in einem Praxis-Team: In Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen, Kindergärten, Frühförder-Zentren usw. gelten sowohl andere Grundlagen der Arbeitszeiten (Anwesenheit statt Anzahl der geleisteten Therapie-Einheiten) und der Bezahlung (nämlich nach Tarif!).
Als fröhlicher und positiver Mensch mag ich das Wort „Ja“ und formuliere daher meinen Bericht aus dem wahren Leben einer Logopädin so wie eine Stellenausschreibung.
Wenn du (oder Sie) jeden Satz mit „Ja“ beantworten kannst, ist Sprachtherapie tatsächlich die passende Tätigkeit.

Hast du Abitur? Wenn nicht, werden dich die meisten Berufsfachschulen ablehnen, weil sie zwar theoretisch Kandidatinnen mit Realschulabschluss akzeptieren, tatsächlich aber nur Abiturientinnen mit gutem Notendurchschnitt nehmen. Alle Arten von Studium verlangen selbstverständlich ebenfalls nach einem guten Abitur.

Bist du bereit, ein Freiwilliges Soziales Jahr (oder einen Bundesfreiwilligendienst) zu absolvieren? Wenn nicht, werden dich die meisten Berufsfachschulen ebenfalls nicht nehmen – die Universitäten schon.

Bist du in der Lage, für die Berufsfachschule jeden Monat mehrere hundert Euro für deine Ausbildung auszugeben, die nur zum Teil durch ein Schüler-Bafög aufgewogen werden? Die Semestergebühren an Universitäten solltest du ebenfalls recherchieren.

Bist du sprachbegabt? Gehst du offen auf fremde Menschen zu? Kannst du mit allen Generationen umgehen? Bist du sehr, sehr geduldig? Kannst du freundlich und durchsetzungsstark zur gleichen Zeit sein? Kannst du dich flexibel neuen Gegebenheiten anpassen (Dies bedeutet im Alltag zum Beispiel, kurzfristig in einem anderen Raum zu arbeiten, gar keinen eigenen Raum zum Arbeiten zu haben, spontan Kolleginnen zu vertreten, dich schnell in neue Themen einzuarbeiten, Pläne zu Gunsten von Patientenwünschen komplett zu verwerfen und aus dem Stegreif den Inhalt der Therapiestunde komplett umzustellen). Berätst du gerne Menschen, ggf. in einfachstem Deutsch und sehr langsam? Hast du viel Phantasie und kannst intuitiv die Bedürfnisse des Menschen vor dir über deinen eigenen Stundenplan setzen? Kannst du auch mit behinderten Menschen arbeiten und hast wenig Ekelgefühle? Bildest du dich gern fort und magst die Philosophie des „Lebenslangen Lernens“? Liebst du Teamsitzungen? Kommst du mit hochnäsigen Privatpatienten, die dich wie die letzte Putzkraft behandeln, ebenso zurecht wie mit Sozialhilfeempfängern, die dich für eine realitätsferne Akademikerin halten? Kommst du mit wenig Geld aus, kannst also sparsam leben? Erträgst du es, wenn deine Freundinnen aus deinem Abiturjahrgang Karriere machen und du keine Chance dazu hast?

Bist du bereit, im Alltag nur für geleistete Therapiestunden bezahlt zu werden:
Nicht für Zeiten, in denen Patienten einen Termin hatten, aber nicht kamen. Während du die Stunde vorbereitet hast und anwesend bist. Viele Praxen haben hier sehr ausgefeilte Regeln, unter welchen Umständen ein kurzfristig abgesagter Termin für dich dennoch als Arbeitszeit zählt (indem du in dieser Zeit die Chefin entlastest o.ä. KEINE dieser Regelungen ist erlaubt! Rechtlich gesehen MUSST du als Angestellte für Anwesenheit bezahlt werden, was aber keine Praxis in Hamburg oder im Umland tut.)
Nicht für Telefonate mit Eltern zur Terminabsprache oder Rückrufe, weil die Oma gerade vergessen hat, wann sie den Enkel bringen soll, während beide Eltern arbeiten (Bitte stell dir dies in tausend Varianten vor – du telefonierst ständig, erreichst kaum jemanden und bekommst dafür keine Arbeitszeit berechnet).
Nicht für Arztberichte (die Pauschale seitens der Krankenkasse für das Schreiben des gesetzlich notwendigen Berichts ist ein Witz, ganz abgesehen davon, dass sie im Portemonnaie deiner Chefin ankommt und nicht bei dir).
Nicht für Telefonate mit Förderlehrerinnen, Ergotherapeutinnen, Personen im Sozialamt oder sonstige Personen, die mit einem deiner kleinen Patienten arbeiten und von dir Informationen wünschen. Das Gleiche gilt in Abwandlung für erwachsene Patienten, da wollen dann die Angehörigen, die Pflegerinnen und die Neurologin Informationen von dir.

Findest du es korrekt, nachdem du deine Ausbildung mit einem erklecklichen Betrag pro Monat selbst bezahlt hast, als ausgebildete Logopädin 12,- Euro pro Stunde zu verdienen? Auch, wenn du weißt, dass die zwölf Euro der Betrag vor der Steuer sind. Von diesem Stundenlohn, der als Summe deinen Monatslohn (dein Gehalt) ergibt, zieht der Staat Steuern ab, die Krankenkasse bekommt ihren Teil, Renten- und Sozialversicherung ebenfalls, auch unsere Nachbarn in den neuen Bundesländern (falls du in Westdeutschland lebst, zahlst du den sogenannten Solidaritätszuschlag). Das bedeutet, das nur ein gewisser Teil deines Lohns tatsächlich auf deinem Konto ankommt. Du verdienst also noch nicht einmal zwölf Euro die Stunde, sondern eher den Mindestlohn, wenn du auf dein Konto schaust. Doch, gelegentlich erhöhen die Krankenkassen den Stundensatz, das bezahlt dir die Chefin aber nicht aus.
Findest du es ebenfalls gut, dass du auch nach diversen Jahren im Beruf und vielen Fortbildungen immer noch zwölf Euro verdienst? Eventuell dreizehn Euro, aber ich kenne keine Logopädin, die es in einer Praxis als Angestellte so weit gebracht hat.
Nein, Weihnachtsgeld reißt es nicht heraus, weil es das nur selten gibt. Und wenn, ist es zwar ein Schein, aber kein allzu großer.
Wenn du mit diesen finanziellen Aussichten nicht zufrieden bist, solltest du in einer Einrichtung arbeiten, die nach Tarif bezahlt: Ein Krankenhaus oder ein Kindergarten zum Beispiel. Dann bekommst du wahrscheinlich auch mehr Urlaub, was ebenfalls viel wert ist. Allerdings gibt es davon deutlich weniger Stellen als in niedergelassenen Praxen, so leid es mir tut. In Kliniken solltest du zudem im Schichtdienst arbeiten und Wochenenddienste übernehmen wollen – andernfalls wollen die Verantwortlichen eine andere Bewerberin.

Ist dir jede Form von Karriere egal?
Es gibt genau drei Arten, nicht „nur eine normale Logopädin“ zu sein:

a) Du machst dich selbstständig und wirst deine eigene Chefin.
Wenn es gut läuft, kannst du andere Logopädinnen einstellen. Bedenke aber, dass du jede Art der Gesundheitsreform, der Wirtschaftslage und der Schulreformen hautnah zu spüren bekommst. Warum? Die Krankenkassen zahlen für die Therapien, die du leistest. Im Nachhinein. Sollten die Krankenkassen zwischendurch die Regeln ändern, und das ist ihre Lieblingsbeschäftigung, bleibst du auf deinen geleisteten Therapiestunden sitzen, die nie vergütet werden. Oder zu einem anderen Satz. Die Wirtschaftslage interessiert dich insofern, als dass du Miete, Strom, Büromaterialien und dergleichen mehr bezahlen musst. Da sogar eine selbstständige Logopädin knapp rechnen muss, könnte es sein, dass sich deine Arbeit nach Zahlung der Fixkosten kaum lohnt. Die Schulreformen interessieren besonders die Hamburgerinnen, weil durch die gebundenen Ganztagsschulen kaum Kinder Zeit haben, die Logopädin zu besuchen. Kurz, du wärst zwar Chefin, müsstest dich aber permanent an sich verändernde und verschärfende Gegebenheiten anpassen.
Liebst du es, Bewerbungsgespräche zu führen? Deine Angestellten werden ständig wechseln, weil sie schwanger werden oder woanders bessere Bedingungen zu finden glauben.

b) Du bist zwar angestellt, vertiefst dich aber so intensiv in ein medizinisches Störungsbild (also eine Krankheit) oder ein therapeutisches Verfahren, dass du zur Spezialistin wirst.
Das kostet dich sehr viele Fortbildungen, die du wahrscheinlich nur zum Teil von deiner Chefin finanziert bekommst. Es kostet dich ebenfalls viel Freizeit, weil du abwechselnd mit Seminaren und Fachliteratur beschäftigt bist. Wenn du Glück hast, wirst du damit über die Stadtgrenzen hinaus als Spezialistin bekannt. Die Krankenkasse wird dir das aber nie bezahlen. Nie. Du wirst genau den gleichen Stundensatz wie deine Kolleginnen bekommen, weil es der Krankenkasse egal ist, wie fundiert und spezialisiert du arbeitest. Natürlich könntest du die Krankenkasse mit wilden Tricks so richtig besch…en, um die krassesten Therapieverfahren abzurechnen. Da dich das deine Existenz kosten kann – lass es lieber.

c) Du lässt dich bei einem Träger einstellen, der nicht nur nach Tarif bezahlt, sondern sogar die Möglichkeit eröffnet, dass du die logopädische Abteilung leitest.
Kennst du dich mit Mitarbeitermotivation aus? Leitest du gern andere an und hast Lust auf ständig neue Praktikantinnen, die unterwiesen werden sollen? Liebst du Akten, Dokumentationen und Bürotätigkeiten? Schleimst du dich gern bei höheren Ebenen ein, damit das Management keine Stellen kürzt oder andere Maßnahmen beschließt, die die Arbeit in deiner Abteilung empfindlich verschlechtern? Super, dann solltest du diesen Weg wählen. Wesentlich mehr Gehalt solltest du aber nicht erwarten. Es geht nur um Ehre, wie immer.

Karriere im klassischen Sinn machst du also in keinem Fall, aber du hast Gestaltungsmöglichkeiten, wie dein Alltag aussieht.

Träumst du davon, krank zu werden und mit Fieber jede Patientin einzeln anzurufen, um zu sagen, dass du leider erkrankt bist und die Logopädie heute ausfählt? Liebst du es, mitten im Magen-Darm-Infekt Personen, die kaum deutsch sprechen, zu erklären, wer du bist und dass sie heute nicht kommen sollen?
Wie, das soll jemand anderes in der Praxis übernehmen – eine Kollegin oder die Bürokraft, die es in durchaus vielen Praxen gibt. Nein nein, die Bürokraft ist so mit dem Qualitätsmanagement beschäftigt, dass sie dir unmöglich helfen kann. Und deine armen Kolleginnen sind doch selbst in der Mittagespause mit Telefonaten und Berichten beschäftigt, genau wie du, wenn du gesund bist. Die haben auch Wichtigeres zu tun.

Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft!
Na, wie viele „Ja“s hast du gesammelt?
Wenn du wirklich immer noch Logopädin werden möchtest, mach´ ein Praktikum und frag eine Sprachtherapeutin deines Vertrauens so richtig nach dem Alltag aus. Vieles von dem, was ich geschildert habe, wird sich ähneln. Anderes hörst du zum ersten Mal und ergänzt deine Sicht. Eventuell gerätst du an eine Person, die alles ganz anders darstellt und dir das Blaue vom Himmel holt – dann sei vorsichtig, es ist wahrscheinlich nicht wahr. Der Beruf als solcher ist abwechslungsreich und sehr intensiv. Letztlich sind es die Arbeitsbedingungen, die viele Logopädinnen nach einigen Jahren zum Aufgeben zwingen. Wenn dich meine offene und schonungslose Darstellung nicht geschreckt hat, solltest du loslegen. Bloß, weil fünf Jahre nach dem Examen nur noch 30% der Logopädinnen als solche arbeiten, kann dein Leben dennoch ganz anders verlaufen.

Wenn ich dich gründlich verschreckt habe, bin ich erleichtert, dass nicht noch mehr junge Frauen völlig selig diesen Beruf ergreifen und nach drei bis sechs Jahren frustriert und ausgebrannt aufgeben. Ich war eine fähige Therapeutin und haben vielen PatientInnen helfen können. Bis auf wenige Ausnahmen habe ich mit allen PatientInnen gern und mit Herzblut trainiert. Mit Menschen arbeiten ist wunderbar, ich liebe es nach wie vor. Bloß ob es ein klassischer sozialer Beruf sein soll und du wirklich im Gesundheitswesen arbeiten möchtest, solltest du dir gründlich überlegen. Es gibt so viele Möglichkeiten, als sprachbegabte und soziale Frau glücklich zu arbeiten und anständig bezahlt zu werden.
Packen wir es an!

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Buchrezension: „Das Geschlechterparadox“ von Susan Pinker

Auf Zanzibar entdeckte ich in unserem kleinen, luxuriösen Strand-Resort am vorletzten Tag das Bücherregal, dessen Fund mich gut unterhielt und geistig rege hielt. Wer auch immer das Buch „Das Geschlechterparadox. Über begabte Mädchen, schwierige Jungs und den wahren Unterschied zwischen Männern und Frauen“ von Susan Pinker gelesen und dort für andere Gäste deponiert hat – es begleitete mich zum Strand und auf dem langen Rückflug.
Normalerweise schreibe ich nur über Bücher, die ich (fast) ohne Wenn und Aber empfehlen kann. Dies trifft auf den vorliegenden Band nicht zu, dennoch möchte ich mich damit auseinandersetzen.
Kurz gefasst stammt Susan Pinker aus der gleichen Familie, zu der Steven Pinker gehört – letzterer ist jeder Linguistin, Logopädin und vielleicht auch Pädagogin ein Begriff. Sie ist Psychologin und Journalistin und beschreibt sich als eine Feministin der 70er und 80er Jahre. Sie habe an die Gleichheit der Geschlechter geglaubt, bis sie festgestellt habe, dass Frauen und Männer in ihrer Genetik und Biologie fundamental unterschiedlich seien und letztendlich völlig verschiedene Lebensziele hätten, was als Folgerung darin münde, dass Männer Karriere machten und Frauen nicht. Weil Frauen nicht wollten. Oder weil sie es versuchten, schafften und dann auf dem Höhepunkt oder kurz vor dem Zenit ihres Erfolgs „etwas Sinnvolles, Soziales“ tun würden oder einfach bei ihren Kindern zu Hause sein wollen.
Elendig lange Kapitel über die Auswirkungen des bereits im Fötus wirkende Testosteron sowie die beispielhaft für das Männliche stehenden Asperger-Autisten haben mich sehr ermüdet und genervt. Dass die Dame in die gleiche Posaune bläst wie Luann Brizendine mit ihrer Denkweise über die deterministischen Auswirkungen des Körpers auf den Geist ist unübersehbar.
Doch so sehr es mich fuchsig macht, wenn eine Dame sich als Feministin darstellt, um dann zu erzählen, dass Frauen ein gemütliches Familienleben der harten Karriere vorziehen und es aufgrund ihrer Biologie auch einfach das Schlauste für sie ist: Manches hat mich zum Nachdenken gebracht.
Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass es die viel zitierte gläserne Decke gibt, dass nach wie vor viele Männer durch Beziehungen und Gefälligkeiten Karriere machen und dass Frauen auf bestimmten Posten einfach nicht erwünscht sind. Ja, ich bin für die Quote. Völlig egal, was die Männer davon halten: Wer weiß und männlich ist, hatte mit seinen Geschlechtsgenossen so viele Jahrtausende das Ruder in der Hand, dass sie keinerlei Grund zur Beschwerde haben – weder sachlich noch emotional auf Bild-Zeitungs-Niveau.
Von daher stimme ich der Kernaussage des Buches, dass Frauen überall umfassend gefördert würden, die Männer überholten und dann im Laufe der Karriere ausstiegen, um „etwas Sinnvolles, Soziales“ zu machen, nicht zu. Es gibt hinreichend Frauen, die mehr Einfluss nehmen möchten, was ihnen bisher verwehrt bleibt; und die weit und breit keinen Mentor und keine Mentorin haben, die ihnen den Weg ins Eckbüro ebnen.

Dennoch stimmt es mich nachdenklich, dass eine der Thesen stimmt:
Männer suchen sich Jobs, die Geld und Aufstieg verheißen,
Frauen suchen sich Jobs, die erfüllend sind und auch in Teilzeit machbar.
Kurz: Männer arbeiten in Industrie und Wirtschaft, sitzen viel im Büro und verdienen viel, Frauen arbeiten eher für soziale oder staatliche Träger sowie unbezahlt für Kinder und zu pflegende Angehörige und verdienen wenig.
Das ist bedauerlicherweise eine Tatsache, egal wie blöd die sonstigen Thesen der Autorin sind. Nun behauptet sie, dass es daran läge, dass Männer einen klaren Plan in Bezug auf ihre Tätigkeit und ihr Vorankommen hätten und Frauen keine oder nur diffuse Vorstellungen von ihrer Arbeit und ihrer Zukunft. – Was dadurch unterstützt wird, dass es die Frauen sind, die für die Kinder beruflich pausieren und für die zu pflegenden Angehörigen später ebenfalls. Das bedeutet, dass vorrangig Frauen Teilzeit arbeiten, wodurch sie bezüglich des Einkommens und der Karriere weiterhin im Rückstand sind und diesen nur selten aufholen können.
Frauen handeln in ihren Entscheidungen, die ihre Arbeit betreffen, flexibler:
Sie wechseln die Arbeitsstelle, wenn es ihnen keine Freude mehr macht, wenn sie ihre Aufgaben als sinnlos empfinden, wenn sie moralisch nicht den Praktiken des Arbeitsgebers zustimmen oder wenn sie sich um die Familie (Babies, Kinder und Senioren) kümmern möchten. Damit ist klar, dass gerade Lebensläufe und strategischer Aufstieg in die höchste Chefetage selten entstehen.
Traurig für die geringe Zahl der Frauen in hohen Positionen, wo Entscheidungen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik fallen, aber wahr.

Nun stellt sich die Frage:
Warum hat mein Mann einen technischen, gut bezahlten Beruf, und ich bin unterbezahlte Logopädin?
Klar, weil er der mathematisch Begabte ist und ich die sprachlich Begabte.
Weil Tätigkeiten, die vorrangig von Männern ausgeübt werden, weiterhin bedeutend besser bezahlt werden als Tätigkeiten, die vorrangig von Frauen ausgeübt werden.
Pilot, Architekt, Jurist – Pädagogin, Arzthelferin, Friseurin.
Mir fällt etwas auf – das Gefälle.
Leider können wir nicht feststellen, was Ursprung und was Folge ist:
Mögen Frauen schlecht bezahlte Berufe so gern, weil sie sozial und kreativ sind,
oder sind soziale und kreative Berufe schlecht bezahlt, weil sie vorrangig von teilzeitarbeitenden und genügsamen Frauen ausgeübt werden?
So oder so gibt es eine klare Verteilung, welche Berufe von welchem Geschlecht ergriffen werden, sowie welches Geschlecht Vollzeit arbeitet und welches von einer Teilzeit-Stelle in die nächste rutscht.
Bedauerlicherweise sehe ich nicht, dass sich das langfristig ändert.
Ganz ehrlich, selbst wenn meine Ehre als Feministin auf dem Spiel steht – ich habe trotzdem keine Lust auf MINT. Und ob ich Karriere machen wollte, wenn ich könnte?
Mehr Geld möchte ich haben, um endlich angemessen honoriert statt mit Peanuts abgespeist zu werden. Mehr Einflussnahme und Gestaltungsmöglichkeiten, die nicht automatisch unbezahlt und damit „ehrenamtlich“ laufen, auch. Aber Aufsteigen, um schließlich in gehobener Verwaltungsposition zu sitzen? Das sieht für mich nach keiner Verbesserung aus.

An dieser Stelle halte ich die Frage fest, ob eine klassische Karriere überhaupt erstrebenswert ist.
Viele Frauen finden es ja offensichtlich nicht, sonst würden sie nicht Floristin oder Hebamme werden. Dennoch gibt es genug Frauen, die beruflich aufsteigen wollen und von der Möglichkeit eines erfolgreichen Lebenslaufs hin zu einer einflussreichen Position von den Entscheidungsträgern abgehalten werden.
Davon unabhängig habe ich in meiner Generation den Eindruck, dass Männer ebenfalls keine Lust auf Karriere haben – und auf den Trichter ist Susan Pinker noch nicht gekommen. In ihrem Buch wollen Männer aufsteigen und Frauen sinnerfüllt leben – in meiner Generation hat kaum Jemand Pläne, die weiter als ein paar Jahre gehen. Teilzeit wird inzwischen auch von Männern gewünscht, um mehr Raum für persönliche Interessen zu haben. Start-Ups funktionieren ebenfalls nur, wenn Menschen Ideen umsetzen und dafür ihr festes Gehalt riskieren – ein Merkmal unserer Generation bei beiden Geschlechtern. Dass Familienarbeit geteilt wird, spricht sich bei den jüngeren Männern langsam herum – viel zu langsam für eine wirkliche Revolution gegen alte Rollenbilder, aber immerhin, es ist (gemäääächlich) im Fluss. „Spaß haben und die eigenen Tätigkeiten als sinnvoll erleben“ zählt längst auch für Männer, und das jenseits von Strip-Club-Besuchen der Mittfünfziger Chefriege.

Die Generation Y gilt als vergleichsweise gut ausgebildet, oft mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss.[2] Sie zeichnet sich durch eine technologieaffine Lebensweise aus, da es sich um die erste Generation handelt, die größtenteils in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist.[3] Sie arbeitet lieber in virtuellen Teams als in tiefen Hierarchien. Anstelle von Status und Prestige rücken die Freude an der Arbeit sowie die Sinnsuche ins Zentrum. Mehr Freiräume, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, sowie mehr Zeit für Familie und Freizeit sind zentrale Forderungen der Generation Y: Sie will nicht mehr dem Beruf alles unterordnen, sondern fordert eine Balance zwischen Beruf und Freizeit. Nicht erst nach der Arbeit beginnt für die Generation Y der Spaß, sondern sie möchte schon während der Arbeit glücklich sein – durch einen Job, der ihnen einen Sinn bietet. Sie verkörpert einen Wertewandel, der auf gesellschaftlicher Ebene bereits stattfindet, den die jungen Beschäftigten nun aber auch in die Berufswelt tragen.

Wikipedia, 13.07.2014,  20.44 Uhr

In meinen Ohren klingt es so, als seien sich die Geschlechter meiner Generation an dieser Stelle sehr einig: Das wäre uns allen in Hinblick auf den gesellschaftlichen Wandel sehr zu wünschen.