aufmerksam, feminin, glaubhaft

Das Geschenk der Ehrlichkeit

Du lästerst doch auch gerne, oder? Komm, gib es zu: Die eine oder andere Bemerkung über das Aussehen, die Ehe, die Erziehungsprobleme der anderen machen dir Spaß. Und solange es nicht richtig fies klingt, finden wir das auch völlig okay. Selbst ChristInnen lästern gern und finden nichts dabei, weil sie der Meinung sind, das sei noch gar kein Lästern, nur eine lässige Anmerkung nebenbei.

Gerade erlebe ich, welch großes Geschenk Ehrlichkeit ist. Radikale, liebevolle Ehrlichkeit. Die einschließt, dass bestimmte Arten der Kommunikation nicht stattfinden. Wenn mir jemand sagt: „Toll, wie schlank du über die Jahre geblieben bist, meine Ehefrau hat sich leider nicht so gut im Griff.“ ist das ein vergiftetes Geschenk. Ja, theoretisch freue ich mich darüber, nein, mit ganzem Herzen aber nicht: Weil zum Preis meines Kompliments jemand anderes erniedrigt wurde. Und weil ich weiß: Das Positive, das diese Person mir gegenüber nennt, verwendet sie jemand anderem gegenüber garantiert gegen mich. Wer mit bestimmten Mitmenschen nicht loyal umgeht, wird in meiner Abwesenheit auch nicht loyal zu mir stehen.

Ich war immer schon sehr direkt und wahrheitsliebend und versuche im Alltag, mich an den Spruch „Wenn du nichts Nettes sagen kannst, sag gar nichts“ zu halten. Aber erst durch meinen neuen Freundeskreis auf der einen Seite und Personen, deren Moral ganz anders aussieht auf der anderen Seite, wird mir der Wert von Ehrlichkeit bewusst. Eine Freundschaft ist für mich wertvoll, wenn ich über Siege und Niederlagen gleichermaßen sprechen kann. Und wenn nichts von beiden anderen gegenüber gegen mich verwendet wird. Wenn wir uns aus ganzem Herzen mitfreuen und mitrauern, ohne uns innerlich dafür krumm zu machen. Viele sind mit scheinbarem Mitgefühl in schwierigen Phasen des Gegenübers ja sehr freigiebig, kämpfen aber sofort mit Neid, sobald es im Leben der Freundin wieder bergauf geht.

Wann fällt es dir leicht, offen und authentisch zu sein?
Wann übertreibst du lieber oder spielst Erlebnisse herunter, um vor deinem Gegenüber deinen Stolz zu bewahren?
Wem fällst du, vielleicht unbewusst, in den Rücken? Und warum?
Was würde radikale Ehrlichkeit, in Liebe ausgesprochen, in deinem Leben verändern?

aufmerksam

„Was wissen Sie wirklich über Ihre Partnerin/ Ihren Partner?“

 

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Auf der Internetseite der Zeitschrift „freundin“ gibt es gerade einen sehr interessanten Artikel mit vielen Fragen, die zum Gespräch mit dem Partner/ der Partnerin einladen.
Ausgangspunkt dafür ist die Tatsache, dass wir in der ersten Zeit des Kennenlernens viele Informationen über die noch unbekannte Person an unserer Seite sammeln, bis wir den Eindruck haben, die / den anderen zu kennen. Das stimmt zu einem gewissen Grad auch – aber erstens erfahren wir in den ersten Wochen und Monaten nicht alles, was das Leben des anderen ausmacht, und zweitens bilden wir uns schnell ein Urteil und sehen das Gegenüber durch die Brille unserer eigenen Wahrnehmung. Drittens verändert sich die Partnerin / der Partner im Laufe der Zeit, sodass wir den Anschluss verpassen, ohne es zu bemerken – schließlich „kennen“ wir sie / ihn ja!

Der Artikel ist zu finden unter Beziehungscheck – Was wissen Sie wirklich über ihn? und sehr zu empfehlen.
Es bietet sich an, die Fragen selbst erst einmal zu beantworten, bevor man sie der / dem anderen stellt. Angesichts der Menge guter Gesprächsthemen halte ich es ebenfalls für sinnvoll, sich auf einige Fragen zu beschränken und sich damit Zeit zu lassen: Beide sollten den Kopf frei haben und Lust, sich damit auseinanderzusetzen. Was für Frauen interessant und spannend ist, wird von Männern oft als Prüfungssituation erlebt – „Jetzt muss ich ihr von meinen (unbekannten) Gefühlen erzählen und mich ihren Kommentaren ausliefern!“ Am besten eine Handvoll Fragen intensiv besprechen und dann die Gesprächssituation für eine gemeinsame Aktion verlassen, statt alles einmal schnell oberflächlich anzusprechen oder eine einzelne Frage stundenlang zu zerreden.