aufmerksam, feminin

Alles rutscht an seinen Platz

Carter starrte blind in die Luft.
„Manchmal weiß ich gar nicht, wie das alles gekommen ist, und manchmal ist es, als wäre es schon immer so gewesen. Ich bin nur… es ist… wir…“
„Raus damit.“
„Wenn du eine findest, die du liebst, ganz und gar, und sie liebt dich auch – sogar mit deinen Schwächen, deinen Fehlern, rutscht alles irgendwie an seinen Platz. Und wenn du mir ihr reden kannst, und sie hört zu, wenn sie dich zum Lachen bringt, zum Nachdenken, wenn sie dein Begehren weckt, wenn du durch sie erkennst, wer du wirklich bist und dass es dir mit ihr besser, einfach besser geht, dann wärst du doch verrückt, wenn du nicht den Rest deines Lebens mit ihr verbringen wolltest.“
Mit verlegenem Lächeln hielt er inne. „Ich fasele ein Zeug.“
„Nein.“ Malclom, in dem Carters Worte irgendwas gedreht hatten, schüttelte den Kopf. „Das ist schön für dich, Carter. Du bist ein elender Glückspilz.“
„Heute der größte auf Erden.“

 

aus: „Winterwunder“ von Nora Roberts

 

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aufmerksam

Die Hausaufgaben! Na, wer hat sie gemacht?

Mit meiner französischen Freundin unterhielt ich mich en franςais darüber, welche Schwerpunkte im Unterricht des Gymnasiums / Lycées zu unserer Zeit gesetzt wurden und wie es uns damit erging. Im Überblick die Punkte, in denen wir uns länderübergreifend einig waren:

– Warum wurde (wird?) dem Dritten Reich ein derart großer Schwerpunkt gewidmet – und das nicht nur in Deutschland, wo wir moralisch innerlich alle bis heute zu büßen haben und das Erinnern hochhalten müssen (letzteres finde ich korrekt), sondern auch in Frankreich? Gut, da müssen die Collaborateure büßen und das Vichy-Regime geächtet werden, aber ist das für die heutigen Lucs und Delphines derart wichtig?
Und war es wirklich notwendig, dass ich von der siebten bis zur dreizehnten Klasse ohne Unterbrechung mit dem Nazi-Horror konfrontiert wurde? Wenn nicht in all den schrecklichen Novellen im Deutschunterricht, dann in Geschichte, wenn nicht in Geschichte, dann in Englisch, wenn nicht in Englisch, dann in Sozialkunde, wenn nicht in Sozialkunde, dann in Französisch, wenn nicht in Französisch, dann in Erdkunde (Ländergrenzen!). Hätte ich als dritte Fremdsprache fakultativ Spanisch gewählt: Ich hätte Novellen über den zweiten Weltkrieg gelesen.
Tausend andere historische Themen wurden innerhalb kurzer Einheiten als Doppelstunde durchgewunken:
Die Wiedervereinigung, die Geschichte Europas und der EU, alles vor dem Dritten Reich und alles nach dem Dritten Reich. Es gab in der fünften Klasse eine Lektion zum Mittelalter und in der sechsten eine zu den Ägyptern. Die Antike habe ich bis heute nicht kennen gelernt, die Renaissance nicht, und all den anderen historischen Klumpatsch auch nicht. Wozu auch, solange sich Zwöfljährig weiter damit auseinander setzen, dass sie sich plötzlich für ihre Großeltern schämen sollen. Heutige Zwölfjährige wohl eher für ihre Urgroßeltern.
Ehrlich, Erinnerung ist gut und wichtig, aber SIEBEN JAHRE des Gymnasiums lang? In jedem Fach abwechselnd? Das führt wohl nicht zum erwünschten Erziehungeffekt, eher zu einer großen Ermüdung dem Thema gegenüber. Was ich (fast) ebenso gefährlich finde wie zu wenig Informationen über die eigene Geschichte.

– Warum gibt es keinen Werkunterricht mehr? Und wenn, dann maximal in der Grundschule und/oder in der Hauptschule?
Grundlagen der Zubereitung von Speisen, Grundlagen des Reparierens und ähnliche Alltagsfähigkeiten nützen uns bis heute – wenn wir dazu in der Lage wären und nicht mit Bildschirmen verschmolzen.

– Warum war alles, was ich in sämtlichen sprachlichen Fächern gelesen habe, schrecklich? Welche Zwölfjährige soll sich allen Ernstes zur Bildung ihres Verstandes und ihres Herzens mit den grauslichen Reclam-Heften von E.T.A. Hoffman herumschlagen? Was hat mich „Andorra“ von Max Frisch gelehrt, außer Entsetzen? „Einer flog über das Kuckucksnest“ – was hat mir die unnötig dargestellte körperliche und seelische Gewalt gebracht außer Bildern von enthaarten Hoden psychisch Kranker??? Wozu all die anderen wahlweise grausamen oder grenzwertig pornographischen Inhalte, mit denen man Jugendliche malträtiert? Selbst wenn heutige Heranwachsende da abgestumpfter sind als ich es war: Wozu?
Warum können LehrerInnen diese hormongebeutelten, schlaksigen bis pummeligen menschlichen Wesen nicht mit etwas Auferbaulichem beglücken?
Sie müssen ja nun nicht „Ferien auf Saltkrokan“ von Astrid Lindgren lesen, aber irgend etwas halbwegs Bekömmliches für ihre verwirrten Köpfe und ihre orientierungslosen Seelen –  wie wär´s? Und, nein: Es wäre NICHT „zu harmonisch“ für heutige Teenager. In wessen Leben ist es denn „zu harmonisch“? Bittesehr.

– Warum wurde ich von einem männlichen Biologielehrer aufgeklärt, der der Meinung war, der weibliche Zyklus dauere 28 Tage und am 14. Tag passiere der Eisprung, die monatliche Blutung finde drei bis vier Tage statt; fertig mit dem Thema? Nein, nein, nein. Erstens plädiere ich dafür, bestimmte Themen geschlechtergetrennt zu vermitteln, weil es für alle besser ist: Für Mädchen, für Jungs, für Lehrerinnen, für Lehrer. Sollen sich die Lehrer mit pornösen Jungs rumschlagen und die Lehrerinnen sich mit verunsicherten Mädchen. Und sie alle mit Geschlechterklischees.
Die Bio-Lehrerin will ich sehen, die behauptet, es gäbe den einen korrekten weiblichen Zyklus. Den müsste sie vorführen, und daraus würde nichts, weil der perfekte Zyklus nur in männlichen Köpfen und in den Einflüsterungen von Pharmaherstellern existiert. Und das Stellen von jugendlichen Fragen wäre das erste Mal in der Geschichte der sexuellen Aufklärung peinlich, aber ohne Traumata machbar.

– Warum mussten wir in Biologie wochenlang Referate zum Thema „Drogen“ behandeln (mit denen ich bis heute nichts zu tun gehabt habe), aber nie kam das Thema „psychische Erkrankungen“ auf den Tisch? Ich weiß nicht, wie viele Jugendliche sich pro Jahr das Leben nehmen, weil sie depressiv sind und weder sie selbst noch andere es wissen. Keine Ahnung. Aber ich wette: Zu viele. Und ich weiß nicht, wie viele Jugendliche Eltern haben, die psychatrische Hilfe nötig hätten, aber ich wette: Zu viele. Und keineR redet drüber. Dabei könnte in weiterführenden Schulen locker zwei Wochen weniger über Drogen geredet werden und dafür über Psychologie und Psychiatrie. Über „Ritzen, Kotzen, vergewaltigt werden und den ganzen anderen Dreck“. Ich bin mir sicher, es wäre mit dem nötigen respektvollen Umgang vielen eine Erleichterung.

 

Liebe Schulbehörden, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrer: DAS ist eure und Ihre Hausaufgabe.

aufmerksam, feminin

Männer sind natürlich immer herzlich mitgemeint

Anlässlich des Internationalen Frauentags am heutigen achten März verblogge ich ein wunderbares Zitat, das ich hier fand:

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Welche Sprüche kannst du nicht mehr hören? Welche schlagkräftigen Antworten hast du parat?

„Habt Ihr Frauen nichts Wichtigeres zu tun als mit schwerfälligen Doppelformen die deutsche Sprache zu verhunzen?!“
– Es ist tatsächlich lästig, die Männer immer mitzuerwähnen. Unsere Sprache wird weiblich-eleganter, wenn wir das generische Maskulinum durch ein generisches Femininum ersetzen. Nach dem Rotationsprinzip kann das dann für die nächsten zweitausend Jahre erstmal so bleiben. Männer bzw. unsere männlichen Mitbürgerinnen sind natürlich immer herzlich mitgemeint.

 

Luise F. Pusch ist feministische Sprachwissenschaftlerin. Ihr Blog heißt Laut und Luise, bei Twitter ist sie @luisepusch.

aufmerksam, Gäste & Feste

TischTransaktion: Gastfreundschaft mit Unbekannten erleben

„Eine Idee* ist auf Reisen, eine Idee, die sich der Gastfreundschaft stellt und die Gastlichkeit trägt und mit trägt. Ein Tisch, der auf Reisen ist, nein, nicht nur ein Tisch, sondern einige, viele Tische sind auf Reisen kreuz und quer in Rheinland-Pfalz.
Für fünfzig Tage wechseln sie den Ort, ihr Heim und sind erst als Gast in einem fremden Haus, empfangen dann Gäste und kehren reich an Erfahrung nach einem Monat in ihr Heim zurück. Teilnehmen können Familien, jede Frau, jeder Mann, die bereit sind für 4 bis 6 Wochen den eigenen Esstisch, den Küchentisch, den Tisch des inneren Zentrums des Hauses gegen den eines anderen einzutauschen und Gäste zu empfangen. Gäste sind u.a. Personen, die ihren Tisch auch tauschten und Personen, die durch Medienberichte von der Aktion erfahren und die Tische und die Menschen um die Tische besuchen möchten. Die Anzahl der Gäste ist freie Wahl, sie melden sich telefonisch an. Dadurch lässt sich die Anzahl der Besucher selbst bestimmen.

* Die Tischtransaktion wurde von Die Fabrikanten/Linz Österreich und ASA-European/Köln entwickelt“

An den „TauschTischen“ versammeln sich bekannte und bisher fremde Menschen, um Gastfreundschaft zu erleben und den eigenen Horizont zu weiten.

 

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„Worte und Sätze flitzen über den Tisch, Gelächter und Erstaunen. Nie gehörte Berichte und unglaubliche Geschichten wecken das Interesse. Es wird verhandelt, Vernunft, Sinn und Unsinn sammeln sich zum Reichtum, der in der Begegnung liegt.“

Die faszinierende Aktion ist auf der Website TischTransaktion zu entdecken.
Vielleicht schließen sich begeisterungsfähige Menschen in anderen Bundesländern an?

aufmerksam, glaubhaft

Zu Besuch bei Gott

 

Der Christ hat nichts anzubieten aus einem Vorrat, über den er verfügt.
Er hat nichts gesammelt.
Er ist nur Gast am Tisch des Herrn, und als Botschafter des Evangeliums
lädt er die anderen dazu ein.

Afrikanisches Sprichwort
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aufmerksam, Gäste & Feste

Eine Kultur des Feierns

Wenn in Hamburg junge Menschen „feiern gehen“, dann bedeutet es, dass sie sich in Clubs und Discotheken treffen und betrinken.
Mangels Erfahrungen in diesem Bereich frage ich mich seit jeher, was daran den Aspekt des „Feierns“ ausmacht: Saufen, bis das Erbrechen kommt, hat für mich keinen festlichen Charakter.
Aber auch in den älteren Generationen vermisse ich oft eine Kultur des Feierns.
Familienfeste sind (in meinen Augen) unglaublich öde und bestehen vorrangig aus dem Verzehr von Menüs oder Kuchen-Buffets – unterbrochen von einem obligatorischen Spaziergang, wenn die Jubilare noch nicht zu gebrechlich dafür sind.
In traditionellen Familien werden selbstverständlich alle relevanten Ereignisse des Lebens (mehr oder weniger festlich) begangen: Taufen, Konfirmation / Kommunion und Firmung, Hochzeit, runde Geburtstage, Beerdigung. Auf ein ganzes Menschenleben gerechnet sind das wenige Feste, die auf die eigene Person entfallen – was ich schade finde, bietet das Leben doch so viel mehr Möglichkeiten, den Moment zu würdigen und dankbar zu sein. Gleichzeitig sind es ausgesprochen viele Ereignisse, zu denen jede Person reihum eingeladen ist – und dabei erlebt JedeR von uns deutlich zu häufig langweilige und leidenschaftslose Gesellschaften.

 

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Ich sehne mich nach einer positiven Kultur des Feierns: Jenseits von Besäufnissen und Langeweile, das kann doch nicht alles sein!
Einen persönlichen Meilenstein oder Momente der Dankbarkeit zu zelebrieren finde ich essenziell: Sonst ziehen diese Erlebnisse an uns vorbei, ohne gewürdigt zu werden, und hinterlassen in der Rückschau nur undeutliche Erinnerungen. Ich möchte an den Stress und die Herausforderungen zurück denken und gleichzeitig die Festivitäten tief im Gedächtnis speichern, die die Anstrengung anerkannt haben, wenn sich alles in Erleichterung und Leichtigkeit auflöst.
Ich möchte meine Urlaubsbilder wie damals mit einem bunten Abend und Speisen aus dem bereisten Land feiern – mit FreundInnen die Erlebnisse teilen, statt stumm die Fotos im Internet hochzuladen. Und ich entdecke gerne, wie meine FreundInnen ihrerseits die Ferien verbracht haben, weil ich gerne schöne Momente erzählt bekomme.

 

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Feiern ist ein Geschenk an uns selbst und alle Eingeladenen. Und seien es zwei Nachbarn und eine Freundin, egal. Eine Party fängt nicht mit einer endlosen Gästeliste und eleganter Dekoration an – sondern mit dem Willen, den Augenblick zu zelebrieren, auszukosten und genussvoll mit anderen zu vertiefen.

aufmerksam, Gäste & Feste

Getrödelt – gefunden – gefreut: Buttermesser aus Perlmutt

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Ich bin restlos begeistert von meinem aktuellen Fund aus dem Geschäft „Hanse Antik“ in Hamburg-Winterhude:

Ein Buttermesser aus Perlmutt habe ich dort entdeckt (leider tatsächlich nur ein einziges).
Warum mich das derart beglückt?
Weil ein Buttermesser aus Perlmutt nicht nur für Milchprodukte, sondern auch für weitere tierische Erzeugnisse wie zum Beispiel Kaviar wunderbar geeignet ist.
Als Information für diejenigen, die bisher nicht über die Reaktionen von Tafelsilber auf bestimmte Speisen nachgedacht haben:
Eierlöffel beispielsweise bestehen traditionell aus Perlmutt oder Horn, weil Eier mit silbernen Löffeln höchst unangenehm (in Geruch und Geschmack) in einer Oxidation interagieren. Selbiges gilt für andere tierische Produkte, wie Kaviar. Sogenannte Kaviarmesser ähneln dem Buttermesser sehr, sodass der gleiche Gegenstand für beides benutzt werden kann (Wem dies nicht liegt: Löffel aus perlmuttenen Muscheln sind definitiv knigge-kompatibel).
Auch wenn es bei uns nur ausgesprochen selten Kaviar gibt (da wir beide bisher schlicht nicht auf den Geschmack gekommen sind, um ihn genießen zu können, und mir beim Gedanken an aufgeschlitzte Fische übel wird), freue ich mich an dem sanften Glanz des Buttermessers, wenn es ganz klassisch für Milcherzeugnisse benutzt wird.

 

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Die Aktion „Getrödelt- gefunden – gefreut“ findet an jedem ersten Tag im Monat statt:
http://www.beswingtesallerlei.de/