Im Urlaub ergänzte ich meine mitgebrachte Lektüre durch Bücher aus dem dortigen Bücherregal. Eins davon war ein Band, in dem christliche Ehepaare beschreiben, was die Geheimnisse ihrer Ehe sind. Und warum sie sich nach fünfzehn, zwanzig oder fünfunddreißig Ehejahren noch immer lieben.
Dabei ähnelten sich die Standpunkte und Geschichten der Paare sehr, was einerseits logisch ist: Wertkonservative, gläubige Personen aus zwei Generationen, die meisten davon aus Deutschland, leben weitgehend in der gleichen Sphäre. Ein Paar aus Neuseeland und eins aus Amerika bringen nur wenig andere Blickwinkel, wenn der gemeinsame Hintergrund der gleiche ist.
Was mich sehr irritiert hat: Alle Paare hatten Kinder (zwischen zwei und neun(!)) oder bereits Enkelkinder, und in allen waren die Männer die Hauptverdiener und die Frauen die Familien-und-Haushalts-Beauftragten. Die meisten Männer hatten dazu Berufe, in denen sie einen großen Teil des Alltags vor Publikum stehen (ob nun als Pastor, Psychologe mit Seminarreihen oder Professor). Entsprechend bekannte Größen der deutschsprachigen christlichen Szene sind die Herren, und dadurch ergab sich dieses gemeinsame Buch.
Alle Ehemänner betonten, wie sehr sie es schätzen, dass ihre Frau zu Hause den Alltag managt, ihnen den Rücken freihält und sich liebevoll um die Kinder kümmert. Viele führten auch aus, dass es ihnen wichtig sei, dass ihre Frau ihre Talente entfalten könne. Die Frauen waren (zum Zeitpunkt des Erscheinens des Buchs) maximal in Teilzeit tätig, viele mit ehrenamtlichen Tätigkeiten beschäftigt oder mit Referaten bei „Frauen-Frühstücks-Treffen“ unterwegs. So oder so waren alle finanziell von ihren Ehemännern abhängig. Und dadurch auch davon abhängig, dass ihre Ehe Bestand hat.
Honi soit qui mal y pense…
Nun frage ich mich: Wenn wertkonservative Menschen es wichtig finden, in den heutigen Zeiten in dauerhaften Ehen und stabilen Familien zu leben, warum muss es dann die klassische Rollenverteilung sein?
Ich persönlich halte nichts vom „Schwanger werden und Familie gründen“, aber wenn es andere mit Glück erfüllt, bitte. Nur: Warum können Christinnen und Christen nicht mit neuen Formen des Familienlebens aufwarten? Bloß, weil manche gerne vier Kinder haben, heißt das doch nicht, dass sich die Frau um diese vier Kinder kümmert!
Warum fallen so viele christliche Paare (genau wie die meisten anderen) nach der Geburt des ersten, spätestens des zweiten Kindes wieder in klar definierte Rollen zurück?
Sicher, die Frau hat das Baby neun Monate lang im Körper getragen, sie stillt es und sie wird nachts schneller vom Weinen des Neugeborenen wach als der Mann. Zusätzlich verdienen Männer in Deutschland bis zu 30% mehr im gleichen Beruf wie Frauen. Beides sind zwei große Gewichte, die die Waage Richtung „Dann bleib ich als Frau mit dem Baby eben zu Hause“ drücken.
Das macht Familie in weiblichen Augen zunehmend unattraktiv. Frauen, die gerne Kinder bekommen wollen, aber sehen, wie sich diese Entscheidung bei all ihren Freundinnen auswirkt (Karriereknick und finanzielle Abhängigkeit), denken länger nach, bevor sie tatsächlich schwanger werden. Wobei das Problem ja nicht im Gründen einer Familie liegt, sondern darin, wie Familie im Alltag gelebt wird.
Was mich an den Ausgangspunkt zurückbringt: Wenn eine gelungene Ehe und eine große Familie zum wertkonservativen Leben gehören, warum muss dabei die entsprechend wertkonservative Rollenverteilung zwischen weiblich und männlich übernommen werden?
Warum können ChristInnen nicht mit kreativen Ideen, wie befriedigende Langzeitbeziehungen und gemeinsames Versorgen von Kindern aussehen können, den Status der Familie aufwerten? Das wäre tausendmal sinnvoller als Aktionen gegen Abtreibung.