Atemfreude, aufmerksam, glaubhaft

Einatmen, ausatmen – Atempause?

„Den Puls des eigenen Herzens fühlen.
Ruhe im Inneren, Ruhe im Äußeren.
Wieder Atem holen lernen, das ist es.“

Christian Morgenstern

Mich durch Fachliteratur in der Zentralbibliothek zu wühlen, motiviert mich immer wieder zu neuen Ideen für mein Konzept „Atemfreude“. Jede Stunde hat ein eigenes Thema, das die Übungen und den Verlauf des Kurses bestimmt. Diese Woche waren wir gedanklich und pantomimisch auf dem Spielplatz aktiv: Selbst körperlich stark eingeschränkte SeniorInnen führten Bewegungen aus, die dem Rutschen, Klettern, Schaukeln und Turnen nachempfunden waren. Da ich jedes Mal den kompletten Stundeninhalt anhand eines gemeinsamen Erlebnisses, das ich während der Übungen moderiere, entwerfen muss, werden zwangsläufig die Ideen für Übungen knapp. Umso mehr, wenn klassische Atemübungen zu 70% unbrauchbar sind, weil sie für fitte Personen entwickelt wurden.
So kümmerte ich mich an einem freien Tag um die Lektüre der neuen Fachbücher und stolperte wieder einmal über die Dreiteilung des Atems: Laut Barbara Lutz dauere die Ausatmung eineinhalbmal so lang wie die Einatmung und die Atemruhepause sei halb so lang wie die Einatmung. Dabei erlebe ich bei mir im Alltag nur selten die Atempause zwischen dem Ausatmen und der erneuten Einatmung. Auch die SeniorInnen muss ich eher bremsen, wenn sie besonders tief und effektvoll in den Atemübungen schnaufen, dass sie mir nicht hyperventilieren. Eine Atmung, die so ruhig und „innerlich“ verläuft, dass sich eine Atempause ergibt, entdecke ich seltenst bei mir und anderen.
Bis ich vorgestern auf dem Sofa saß und betete und dabei tatsächlich einen Zustand tiefer Ruhe und innerer Sammlung erfuhr. Damit meine ich nicht mein „Zack-zack-anderthalb-Minuten-Gebet beim Frühstück“, bei dem ich für alle Menschen bete, die mir im Laufe des Tages begegnen. Auch nicht das typische Stoßgebet, wenn es nicht so läuft, wie ich es will (ähem). Sondern ein Versinken im Moment, der sich ausdehnt. Ein aus-der-Zeit-fallen, wie ich es jenseits geführter Gebetszeiten und Meditationen nur selten erlebe. Während ich mich wie auf einer Welle aus dem Alltag fortgetragen fühlte, bemerkte ich auf einmal, dass ich in diesem Zustand tatsächlich eine ausgedehnte Atempause habe und mein Atem insgesamt viel leichter passierte.

Natürlich ist es gut und sinnvoll, den Atem zu beobachten und sich damit im Hier und Jetzt zu verankern. Genauso sinnvoll, wie den Atem absichtlich zu vertiefen und mit einer bewusst verlängerten Ausatmung nicht nur verbrauchte Luft loszuwerden, sondern im übergeordneten Sinn auch alles Hemmende und Negative abzugeben.
Aber oft habe ich bei den SeniorInnen und mir den Eindruck, dass wir eine hektische Aktivität gegen die andere tauschen: Statt durch den Alltag zu hasten und den Atem nicht zu spüren, scheuchen wir die Atembewegung so kräftig hinein und hinaus, dass es nur eine verlagerte Form der Anstrengung ist.

In diesem Sinne noch einmal zum Wirken-lassen:

„Den Puls des eigenen Herzens fühlen.
Ruhe im Inneren, Ruhe im Äußeren.
Wieder Atem holen lernen, das ist es.“

Christian Morgenstern

2 thoughts on “Einatmen, ausatmen – Atempause?

  1. Also, wenn ich auf das Atmen achte, hab ich fast immer eine deutliche Pause, aber
    ich bin auch im allgemeinen immer öfter erschöpft (seit ich arbeite ;)). Je höher die Erschöpfung
    und das Bedürfniss nach einer Auszeit, je länger die Atempause.

    Vor kurzem habe ich bei jemand anderem ein komisches Phänomen entdeckt. Diese Person hatte zwar eine Pause, aber sie war total angestrengt, der ganze Bustkorb war fest (hatte sie vorher nie, jetzt hat sie Schnappatmung und diese komischen Pausen). Ich bin noch am rätseln was ic h für sie tun kann, um dass zu lockern.

    Hast du Stimme und Atmung von Antoni Land und Margarete Saatweber gelesen?
    Die Geben auch immer viele andere Zitate aus anderen Büchern für Atmung von sich ^.^

  2. Liebe Sarah, viele Aussagen und Thesen erlebe ich so lange als „selbstverständlich“, bis ich mich frage, ob sie mich selbst betreffen. Und mit meinem Denken und Fühlen übereinstimmen. Oder eben nicht, wie ich nach sehr vielen Jahren als Logopädin zum ersten Mal nachdenklich feststellte. Wahrscheinlich habe ich häufiger als in seltenen, meditativen Momenten eine Atempause. Nur fällt es mir nicht auf, weil ich in meine Arbeit versunken bin. Oder ganz auf die Person mir gegenüber konzentriert. Dass ich Atemübungen, die ich selbst anleite, oft ohne erkennbare Atempause erlebe, ist verräterisch. Denn es zeigt, dass ich genau wie meine KursteilnehmerInnen viel zu sehr auf den Output als auf das innere Geschehen achte. Mal schauen, was ich aus der Erkenntnis mache…
    Viele Grüße,
    Marie

Schreibe einen Kommentar zu Marie Krüerke

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert