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Was tut der Wind, wenn er nicht weht? Philosophische Gedanken

Auf einer Radtour neulich besuchte ich eine Kirche, in der eine kleine Broschüre mit guten Gedanken zum Mitnehmen auslag. Ihr Titel „Was tut der Wind, wenn er nicht weht?“ sprach mich sehr an. Im ersten Moment dachte ich: „Kann denn der Wind überhaupt nicht wehen? Oder existiert er dann nicht?“
Wenn der Wind spürbar ist, ist er da – wenn Flaute herrscht, dann ist er… weg? Nicht existent? An einer anderen Stelle unterwegs? Tot? Im Urlaub?
Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?

Ebenso können wir den Gedanken auf uns selbst übertragen:
Wer sind wir, wenn wir nicht aktiv, fleißig, für alle sichtbar produktiv sind? Wir existieren dann offensichtlich noch, aber wie hoch ist unser Wert, wenn wir nicht „wehen“, also keinen Nutzen haben? Wie denken wir über uns selbst, wenn wir (temporär) keinen erkennbaren Beitrag leisten – fühlt sich das entspannend oder bedrückend an?
Ist Flaute etwas, das Angst macht und uns in Frage stellt, oder eine wohltuende Auszeit, die nach intensiven Phasen natürlich und wertvoll ist (statt wertlos!)?
Was tut der Wind, wenn er nicht weht?

Ist die Flaute genauso ein berechtigter Teil der Identität des Windes wie die Brise und der Orkan? Oder muss er sich zwischen beiden, und all ihren Zwischenform, entscheiden?
Andererseits: Es gibt ja die Windstille, und anschließend tritt wieder ein Luftzug auf. Flaute war noch nie endgültig oder abschließend, Flaute war und ist immer nur eine Phase.
Was macht es mit unseren Gefühlen, unserem Wert, unserer Identität, wenn wir eine Weile die Windstille, das Nichtstun, zulassen?

Buchtipp:
Wer sich nach mehr Freude und einem Glauben, der im Alltag praktisch wird, sehnt, schaue sich gern mein Mitmach-Buch „Wo die Freude wohnt“ an. Kreative Ideen, Gebete, Reflexionsübungen laden dazu ein, mit Körper und Seele Gott zu erleben.

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Presse: Wo finde ich die Kraft, um andere zu trösten und zu leiten?

Als die erste Corona-Welle durch Deutschland rollte und besonders in den Senioren-Einrichtungen die Angst vor Ansteckung groß war, schrieb ich den Artikel „Kraft tanken, um im Alltag Kraft zu geben“. Jetzt ist der Text in der Fachzeitschrift „Aktivieren“ erschienen. Darin lud ich PflegerInnen und BetreuerInnen ein, sich mit essenziellen Lebensfragen auseinander zu setzen: Um angesichts der Bedrohung den Blick auf das Wesentliche zu lenken und gleichzeitig souverän mit den Befürchtungen der Senioren und Angehörigen umzugehen. Ich regte zu einer Suche nach Quellen der Hoffnung und Kraft an und bot Ideen zur Umsetzung. Zusätzlich stellte ich Fragen, um den Alltag auf Krisenfestigkeit abzuklopfen:

Welche Rollen habe ich?
Ehefrau, Freundin, Angestellte, Tochter, Schwester, Ehrenamtliche…
Welche Erwartungen werden an mich in den unterschiedlichen Rollen gestellt?
Wie viel Energie kosten sie mich? Bin ich zufrieden damit oder möchte ich manche Rollen aufgeben und dafür andere annehmen?

Wo tanke ich auf?
Und wo verliere ich die meiste Energie?
Wie sieht zwischen Ausbluten und Auftanken die Balance aus? Und was kann ich daran ändern?

Passen meine täglichen Aufgaben und meine Talente zusammen?
Wo möchte sich Potential entfalten, das bisher keinen Raum hat?
Welche Sehnsucht kann ich mir im Urlaub in Ruhe anschauen und überlegen, was ich damit machen will?

Welche Konflikte tauchen immer wieder auf?
Und welche schwelen unbenannt seit langer Zeit und rauben Energie?
Was ist mein Anteil daran?

Was ist mein Lebenstraum und wozu bin ich auf der Welt?
Lebe ich nur meinen Alltag oder gibt es etwas, das darüber hinaus weist und mir Sinn und Hoffnung gibt?

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Sonntags im Gottesdienst: Mein Ort zum Auftanken

Unser Leben ist wie eine jahrzehntelange Kreuzfahrt:
Jeden Tag sind wir auf dem Meer unterwegs. Manchmal dampfen wir quer über die Ozeane, manchmal dümpeln wir in Küstennähe. Immer sind wir dabei Wind und Wetter ausgesetzt, und dass wir das Ruder in den Händen halten, ist nicht immer eine Garantie für gutes Gelingen. Manches, was wir unterwegs erleben, lässt sich locker wegstecken. Anderes liegt außerhalb unseres Einflusses und strapaziert uns. Nur zu gerne laufen wir in den Hafen ein, um vor dem Wetter geschützt zu sein, auftanken zu können und Reparaturen durchzuführen.
Wer eine sanftere Metapher für den Lauf des Lebens mag, kann sich die Schmetterlinge in den Fotos als Beispiel nehmen. Sie fliegen von Blüte zu Blüte, um sich zu stärken, und müssen unterwegs mit Wind und Regen sowie Fressfeinden umgehen.

Wenn ich Sonntags in den Gottesdienst komme, ist das mein privater Hafen in den Alltagskämpfen. Meine Blüte, die mich willkommen heißt und ernährt.
Hier kann ich loslassen, auftanken, zur Ruhe kommen, feiern, trauern, lachen, zuhören und Geschichten teilen. In der Gemeinde kann ich einfach „ich“ sein, muss nichts darstellen, brauche nichts leisten, nichts beweisen. Jede Woche ist eine Momentaufnahme unserer Reise durch das Leben. So sieht die Situation aus, hier und heute. Vor diesem Hintergrund versammeln wir uns, teilen Siege und Niederlagen. Manchmal singen wir aus ganzem Herzen mit, manchmal nutzen wir die Zeit zum Beten, während die Band lautstark Stimmung macht. Manchmal nehmen wir aus der Predigt gute Impulse mit. Manchmal ist es das Gespräch beim anschließenden Kaffee, das uns ermutigt und stärkt.
Auf der Reise zur Ewigkeit bietet die Gemeinde uns jeden Sonntag einen Zwischenstopp. Wir sind alle unterwegs, während der Woche oft allein, am Sonntag sitzen wir gemeinsam wie die Zugvögel nebeneinander auf der Stromleitung und zwitschern uns zu: „Gott ist großartig! Er sorgt für uns! Schenkt uns Mitreisende auf dem Weg, der über die Jahrzehnte immer wieder holperig ist. Er schützt uns, ernährt uns, heilt uns, gibt uns Auftrieb, fordert uns heraus. Gott ist gut!“