aufmerksam, feminin, glaubhaft

Warum sind Frauen „Schlampen“, Männer grundsätzlich nicht?

Heute hatte ich einen kurzen Wortwechsel mit einem Mann, der mir von einer gestrigen Beobachtung erzählte:
Nach dem Angeln gesellte sich die Freundin eines Mannes aus der Runde, Mitte zwanzig, zu ihnen. Sie sei sehr offenherzig bekleidet gewesen (es folgte eine knappe Beschreibung ihres Outfits) und habe sich als Erstes beschwert, dass sie auf dem Weg zum Treffpunkt von fremden Männern „angemacht“ worden sei.
Daraufhin erfolgte (als scheinbar logische Konsequenz) die Antwort meines Gesprächspartners: „Die muss sich doch nicht wundern, wenn sie sich so anzieht!“

Wenn Frauen sich freizügig kleiden, liegt das in ihrer Verantwortung.
Wenn Männer eine freizügig gekleidete Frau sehen, liegt es in ihrer Verantwortung, ihre Zunge zu zügeln und nicht dem Diktat dessen zu folgen, was ihr bester Freund aus der Hose verlauten lässt.

Es ist furchtbar, dass Männer sich das Recht heraus nehmen, Frauen zu beurteilen und zu erwarten, dass Frauen sich diesem Urteil unterwerfen.
Und es ist furchtbar, dass wir Frauen es gar nicht anders erwarten und unseren inneren Seelenfrieden erst erlangen, wenn ER gesagt hat was er von unserem Körper, unserer Kleidung, unserem Beruf, unserer Freizeitgestaltung usw. hält. Dieses Urteil erleben wir (auch ich) als Wahrheit und denken: „Jetzt weiß ich, was ich tun muss, damit ich endlich richtig bin.“

Warum können deterministisch (also grundsätzlich und als festgelegte Regel in dieser Welt) nur Frauen Schlampen sein, Männer aber nie?

Warum dürfen Männer sich alles heraus nehmen, was sie wollen, und ernten brüllendes Gelächter seitens der Kumpels und stillen Respekt seitens der Frauen angesichts ihrer Unverfrorenheit, wohingegen Frauen stets bekrittelt und auf ihr Äußeres reduziert werden?
Warum sind Frauen, die deutliche Worte sprechen, „Zicken“, während dominant auftretende Männer „tolle Typen“ sind?

Wenn ein Mann zu seiner Freundin sagt: „Du musst abnehmen, so lasse ich mich nicht vor anderen mit dir an meiner Seite sehen,“ ist das in Ordnung.
Wenn eine Frau zu ihrem Freund sagt: „Du musst abnehmen, so lasse ich mich nicht vor anderen mit dir an meiner Seite sehen,“ ist das nicht in Ordnung.
Wie pervers ist diese Welt?

Ich beziehe mich auf den Artikel vom 18. 05. 2011 und stelle fest:
Bis die Emanzipation der Frau vollzogen ist und sie alle Rechte dieser Welt in Anspruch nehmen kann, ist es noch ein verdammt langer Weg.
Der erste Schritt: Frauen mit Respekt behandeln.

aufmerksam

Enttäuschender Besuch in den „Fliegenden Bauten“

Gestern  besuchten mein Freund und ich eine Vorstellung von „6&7 – The Art of Dance and Artistic“. Die Veranstaltung war folgendermaßen beworben worden:
„13 Körper, die sich zu schwingenden Rhythmen wiegen, wilde Emotionen, atmosphärisches Lichtdesign, moderne Multimedia-Effekte und ein mitreißender Sound (…) Entertainment-Genuss der Spitzenklasse.“
Die Leistung der Tänzer war, technisch gesehen, gut und erfüllte die Erwartungen.
Als enttäuschend und enervierend empfand ich die dargestellten Stimmungen, die sich auf wenige Varianten beschränkten: Depressiv, aggressiv und überdreht-albern. Zum Ende hin wurde es zunehmend geschmacklos – eine sich übergebende Frau, live und in Echtzeit, brauche ich als Gegenleistung für teure Tickets nun wirklich nicht sehen.
Der Ausdruck der Tänzer in Gesicht und Körper war größtenteils künstlich und kalt. Von Erotik, mit der in einem anderen Werbetext gesprochen wurde, konnte keine Rede sein. Weitgehend unbekleidete Tänzerinnen garantieren keine Erotik, so sehr sie auch ihre Negligées flattern lassen und die Beine spreizen. Im Gegenteil – viele Elemente der Choreografien waren vorrangig eines: Aggressiv. Die Frauen griffen sich gegenseitig an oder würgten sich selbst, die Männer benutzten ihre Partnerinnen verächtlich und roh. Ein wiederkehrendes Merkmal der Choreografien bestand darin, dass eine offensichtlich hoffnungslose, desorientierte Frau von einem zum nächsten geschubst wurde.
Alice Schwarzer hätte das Zelt unter wüstem Protest in Brand gesteckt, da bin ich mir sicher. Und in diesem Fall hätte ich zweifellos mitgemacht – eine deratige Zurschaustellung von frauenverachtenden symbolischen Handlungen habe ich bisher nicht erlebt.

Zusätzlich ärgerlich waren die langen Zeiten, in denen nichts passierte. Für knappe 90 Minuten Show saßen wir die doppelte Länge in den Fliegenden Bauten, nur um den speisenden Hanseaten rund um uns zuzusehen und langsam vom Futterneid überwältigt zu werden. Mein Freund brachte es gut auf den Punkt: „Das Ziel des Managements ist es, pro Gast an einem Abend einen dreistelligen Betrag zu verdienen.“
Die Veranstaltung begann eine Viertelstunde verspätet. Nach einer halben Stunde Show folgte eine halbe Stunde Pause, in der man noch mehr Geld für teure kleine Gerichte loswerden konnte, anschließend gab es noch eine knappe Stunde Show – gefolgt von der Einladung, „weiter unser Gast zu sein“. Sicher nicht.
Wir waren beide von der Gestaltung des Abends, der eine klare Gewinnmaximierung zugrunde lag, absolut enttäuscht. Die Fliegenden Bauten werden wir garantiert nicht wieder besuchen – und die eigentliche Show genauso wenig.

An dieser Stelle möchte ich „Rock The Ballett“ von Rasta Thomas empfehlen – alles, was ich mir von „6&7“ erfolglos erhofft hatte, gibt es in dieser Show zu sehen: Fröhliche, energiegeladene Tänzer, abwechslungsreiche Musik, gute visuelle Effekte und phantasievolle Choreografien. Mit dem großen Plus, dass in diesem Fall die Werbung hält, was sie verspricht und man das Theater gut gelaunt und beschwingt verlässt.