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Ein typisches Telefonat im Büro der Senioren-Residenz

Da viele Mitmenschen glauben, SeniorInnen in einer Residenz seien alle langweilig und depressiv, möchte ich heute einmal zeigen, wie ein Telefonat im Büro auch ablaufen kann.
Ich rufe Herrn Bieber (Name geändert) an, er geht ran und ich lege, wie immer, direkt los:
„Hallo Herr Bieber, ich habe hier etwas sehr Lustiges auf Plattdeutsch, das könnte Ihnen gefallen. Ach ja, Marie Krüerke am Apparat, aber das haben Sie wahrscheinlich längst erkannt….“
„Ja, Mädchen, das habe ich. Sag an!“
„Der Witz ist aber im Internet, haben Sie mal ’ne Mailadresse für mich, dass ich es Ihnen schicken kann? Ich würd ja ’ne Kopie zu Ihnen hochbringen, aber im Internet kann ich wohl schlecht was kopieren…“
„Na klar. Also: Erhart Bieber, einfach am Stück, und dann…… das was sie alle haben.“
„Was wir alle haben?
„Ja, gmtx oder so.“
„Gut, also erhartbieber@gmx.de oder .net oder .com?“
„Ja, das passt so. Aber Mädchen, hast du heute eigentlich schon Mittag gegessen?“
„Jaaaa, hab ich, von zu Hause mitgebracht.“
„Aber das ist doch immer nur Gemüse, so hart, wie du arbeitest, reicht das doch nicht! Neee, Mädchen, da musst du besser aufpassen, sonst fällst du noch völlig vom Fleisch. Versprichst mir was? Wenn bei euch mal wieder alles drunter und drüber geht, kommste einfach mal hoch, um zu verschnaufen? Wirklich, du machst dich noch kaputt. Also, du kannst jederzeit hier rumkommen und dann hab ich ’n Schnaps oder was anderes und dann ruhst du dich mal aus, ja?“
Ich verspreche es hoch und heilig, wieder einmal.

Er findet zur allgemeinen Höflichkeit zurück:
„Na denn, Frau Krüerke, da bin ich mal gespannt, was Sie mir da nun an den Hals geschickt haben!“
„Ach, was ich noch sagen wollte: Ich hab Sie aus dem Fenster wieder mit Ihrem Rollator gesehen, und der ist immer noch zu niedrig! Ich hab‘ Ihnen das schon im Sommer gesagt, als ich Sie hier durch den Innenhof hab schieben sehen: Der ist zehn Zentimeter zu tief! Garantiert! Das tut doch Ihrem Rücken nicht gut!“
„Dooooch, das passt so, ich gehe auch immer bewusst aufrecht!“
„Neee, das passt tatsächlich nicht, Sie rollen die Schultern ein und machen den Rücken krumm! Ich SEHE das doch von hier aus!“
Er schnaubt.
„Aber das hat der Mensch von der Hilfsmittelfirma exakt so eingestellt.“
„Das glaub ich Ihnen ja, aber Sie stützen sich trotzdem viel zu weit unten ab. Ich habe doch nur Ihr Wohl im Auge!“
„Na dann, geh mal wieder an die Arbeit, Mädchen. Und komm rum, der alte Bieber hat hier immer einen Platz frei!“

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Ein guter Tag beginnt


Micha Keding singt davon, dass es ein guter Tag wird, wenn wir ihn mit Gott un in seiner Liebe beginnen. Weil wir wissen, dass er an unserer Seite ist und sich kümmert, was auch immer uns in den nächsten Stunden passieren wird.

 

Wie wir in den Tag starten, bestimmt, was wir erleben.
Und selbst, wenn viele Termine nicht verhandelbar sind, entscheidet eine bewusste innere Haltung darüber, wie wir sie erleben.
Ich bitte Gott jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit um Segen für den Tag:
Ich bringe jedes Mitglied des Teams vor Gott, bitte für die Leitung, bitte für die Menschen, denen wir dienen.
Ich bitte um gutes Gelingen meiner Veranstaltungen und um eine wohlwollende Gemeinschaft der SeniorInnen untereinander.
Ich bitte Gott, mit seinem Segen voraus zu gehen, die Orte zu fluten, die ich besuche.
Für unsere Seele ist es so wichtig, aufmerksam und positiv in den Tag zu starten und sich geborgen zu wissen.
Das bestimmt nicht nur unsere eigene Herzenshaltung und Leistung, es wirkt sich durch unsere Ausstrahlung auf unser ganzes Umfeld aus.

Einmal saß ich betend in der U-Bahn und ein fremder, farbiger Mann sprach mich an: Obwohl äußerlich nicht erkennbar ist, wenn ich bete, hat er es gespürt und gab mir eine ermutigende Botschaft weiter. Beten verändert nicht nur unser Herz, sondern strahlt auf die gesamte Umgebung aus.

aufmerksam, glaubhaft

Buchempfehlung: „DAS GROSSE LOS“ von Meike Winnemuth

Mangroven

„Aber ich schweife ab. Was ich eigentlich erzählen wollte, weil es mir hier wieder in den Sinn gekommen ist: die Paradies-Übung. Dies war Teil einer Session, die eine Psychologin auf der Basis von Barbara Shers Buch „Wishcraft“ mit mir für den Artikel gemacht hat.
>Was würden Sie tun, wenn alles, absolut alles möglich wäre, ohne Rücksicht auf Zeit, Raum, Geld oder Logik? Wie würden Sie leben? Was würden Sie den ganzen Tag tun?<
Ich musste mir in allen Einzelheiten meinen perfekten paradiesischen Tag ausmalen. Mach das mal, das bringt unglaublich viel Spaß! Meiner ging, stark verkürzt, so:
(…)
>Sehr nett,< sagte die Psychologin. >Und wie sieht der Tag danach aus?<
Und wie, fragte sie weiter, die ganze Woche, der Monat, das Jahr? Das Spannende war: Je länger der Zeitraum wurde, desto realistischer wurden meine Spinnereien. Immer noch weit genug entfernt von meinem Leben, aber gleichzeitig auch eine Essenz treffend von dem, was ich liebe: Freiheit, das gemeinsame Nachdenken mit anderen, das Neue, das Querverbinden. An einem gewissen Punkt habe ich gesagt: Ich will eigentlich gar nichts Bestimmtes, vergessen Sie Clooney und Rickman. Aber ich will, dass mir etwas passiert. Ich will, dass mich das Leben überrascht.
>Dafür könne Sie was tun,< sagte die Psychologin.
Und das ist wahr.“

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Die Journalistin Meike Winnemuth gewinnt bei  „Wer wird Millonär?“ mit Günther Jauch 500 000 Euro. Von diesem Geld möchte sie ein Jahr lang jeden Monat in einer anderen Stadt verbringen, mitten unter Ortsansässigen, und damit jeden Monat in einen anderen Alltag schlüpfen. Um jeweils für eine Etappe ihres Wegs in einer anderen Kultur eine neue Version ihrer selbst zu erleben.

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„Völlig gerührt saß ich hinterher in der Sonne vor dem Museumscafé, dachte über die Vogels nach und über Doris Duke. Die eine wie die anderen haben nichts anderes getan, als ihrer Intuition zu folgen. Etwas Fremdes, Aufregendes, unerklärlich Schönes hat zu ihnen gesprochen, und sie haben ganz einfach hingehört. Und sich anstecken lassen.
Genau so geht das richtige Leben, dachte ich: Finde heraus, was du liebst, und mach es dann. Das sagt sich so leicht und lebt sich so schwer, aber hier, in Hawaii, an diesem Tag, schien es plötzlich wahnsinnig einfach.“

„Man darf sein Leben nicht damit verschwenden, Erwartungen zu erfüllen. Nicht einmal die eigenen. Es ist erstaunlich, wie wenig man wirklich muss, wenn man mal ernsthaft darüber nachdenkt.
Man hat jederzeit das Recht, die Regeln, die man sich selbst aufgestellt hat, zu ändern.“

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In einem Brief aus Kopenhagen an ihr jüngeres Ich:
„Aber ich will Dich nicht verwirren. Ich erzähle Dir das nur, um mir selbst etwas bewusst zu machen: In Deinem Alter hatte ich keine Ahnung, wie die Welt in meinem Alter aussehen würde. Wenn ich mir überlege, was sich in den letzten 35 Jahren alles verändert hat, wird mir klar: Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was in den nächsten 35 Jahren passieren wird. Ich weiß nur: Ich will dabei sein. Mit jedem Tag mehr auf dieser Erde finde ich sie sensationeller, überwältigender, unglaublicher.
Ich schreibe Dir diesen Brief von einer Weltreise. Dass ich sie mache, habe ich nicht geplant. Ich habe nicht darauf hingearbeitet, es hat sich so ergeben.Wie sich auch alle anderen wichtigen Ereignisse in meinem Leben irgendwie ergeben haben. Und deshalb möchte ich Dir eines zu Deiner Beruhigung sagen: Du musst Dir nicht die geringsten Gedanken um die Zukunft machen, die kommt von allein. Du machst das alles ganz richtig so, auch wenn Du nicht weißt, was das alles soll. Und ob es einen Sinn hat. Das mit dem Sinn kommt auch von allein. Ich bin vorhin am Assistens-Friedhof vorbeigeradelt, am Grab des Philosiophen Søren Kirkegaard. Der hat zu diesem Thema alles gesagt, was man wissen muss:
>Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.<“

Packender, humorvoller Reisebericht und philosophische Einladung an das Leben zugleich:
„DAS GROSSE LOS“ von Meike Winnemuth, btb-Verlag

 

Die Fotos stammen von unserem Ausflug in die Mangroven auf Zanzibar, Tanzania.
Wer das passende Lied sucht: „Toes“ von der Zac Brown Band

aufmerksam, glaubhaft

Täglich betet das Murmeltier

Bei uns in der Kirche haben wir einen freundlichen älteren Mann, der seit Jahren in jedem Gottesdienst das Gleiche betet – mit minimalen Abweichungen. Dazu sei gesagt, dass wir neben Gebeten, die von vorn von den PastorInnen und Gemeindemitgliedern gesprochen werden, auch Gebetszeiten haben, in denen wir vor Gott still sind und laut oder leise beten – wer laut betet, tut dies von ihrem / seinem Platz aus, beendet das Gebet mit „Amen“ und die Gemeinde unterstützt das Gebet ebenfalls mit „Amen“.
Nun betet dieser alte Herr jeden Sonntag laut und dankt Gott für diesen herrlichen Morgen (unabhängig von Wetterlage und politischer Situation), für die Möglichkeit, sich in aller Freiheit im Gottesdienst zu versammeln und dafür, dass Gott auch „in all unsern Schwääächen und Gebreeechen uns naaaahe ist“.
Noch vor einigen Jahren habe ich innerlich mit den Augen gerollt, wenn dieser alte Herr sein Gebet sprach, das zwar frei formuliert ist, aber dem wöchentlichen Gebet der letzten zehn Jahre auf´ s Haar gleicht: Die Schwääächen und Gebreeechen waren mir wohl bekannt, und ich hätte mir allzu oft gewünscht, dass jemand anderes aus der Gemeinde betet und damit die stille Zeit abwechslungsreicher wird. Später habe ich mir vor Augen gehalten, dass er ist, wie er ist, und so von Gott geliebt wird – an ihn sind die Gebete schließlich gerichtet, nicht an mich.

Neulich am Sonntag wurde mir zum ersten Mal bewusst, wie wertvoll das Gebet dieses Mannes ist:
Es ist wertvoll, unabhängig von der eigenen Laune, dem Wetter und der Wirtschaftslage Gott „für diesen herrlichen Tag“ zu danken. Wir haben mehr Grund zum Danken als zum Jammern, also lasst uns dessen bewusst sein!
Es ist wertvoll, sich vor Augen zu halten, dass Religionsfreiheit ein schwer erkämpftes und in unseren Zeiten umkämpftes Gut ist! Lasst uns den Gottesdienst genießen, statt ihn pflichtbewusst abzusitzen! All die Menschen, die unter Verfolgung und den Auswüchsen eines Regimes leiden und sich nur heimlich unter großer Gefahr zum Gottesdienst treffen können, brauchen unser Gebet.
Es ist wertvoll, von anderen Menschen an „Schwääächen und Gebreechen“ erinnert zu werden, auch wenn es uns selbst gut geht – erstens wird niemand von uns langfristig von Krisen verschont und da ist es hilfreich, zu wissen, an wen ich mich wenden kann: An Gott und an FreundInnen, die für mich einstehen, wenn meine Hoffnung und Zuversicht nicht bis Morgen reicht. Und zweitens gibt es immer jemanden in unserem Bekanntenkreis, die oder der eine schwere Zeit erlebt und von uns Unterstützung verdient. Leider ist in unserer Gesellschaft Leistung, Fitness, Schönheit und Prestige wichtiger als die Weisheit der Vergänglichkeit. Es täte uns gut, öfter darüber nachzudenken – auch darüber, dass wir unsere Gesundheit geschenkt bekommen und sie nicht verdient haben.
In diesem Sinne danke ich für diesen herrlichen Morgen, für Gottes Gegenwart und für die Religions- und Meinungsfreiheit, dank derer ich dies schreiben kann.

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Ein Satz, der mich erfreut – Zweiter Teil

„Dascha man schöner Tach heude, näch?“

Peter Heinrich Brix sagt diesen optimistischen Satz als „Adsche Tönnsen“ in der Sendung „Neues aus Büttenwarder“ im NDR immer wieder gern – auch bei verhangenem Himmel, wenn er im Nieselregen durch den Schlamm zwischen den Schweineställen entlang spaziert.

Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag mit dieser Bemerkung zu begrüßen, sobald ich mit dem Rad unterwegs zur Arbeit bin und zu schauen, wie es mich -und den Tag- verändert.

 

* auf Hochdeutsch: „Das ist ja ein schöner Tag heute, nicht wahr?“

 

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