aufmerksam, feminin, glaubhaft

Einander loben: Warum fällt es uns so schwer?

Warum fällt es uns so wahnsinnig schwer, andere Menschen zu loben?
Warum ist es unendlich viel einfacher, „hilfreiche“ kritische Bemerkungen zu machen?
Seit Jahren bemühe ich mich, bewusst häufig „Danke“ und „Das habe ich gern gemacht“ zu sagen, für die kleinsten Kleinigkeiten.
Ich übe mich ebenfalls darin, weniger zu bewerten und zu beurteilen und stattdessen einfach nur neutral oder wertschätzend zu beobachten, wie andere (und ich selbst) sich verhalten.
Dennoch habe ich bis heute Hemmungen, einfach mal so etwas Nettes zu sagen – ohne großen Zusammenhang oder besonderen Anlass.
Ich kann wunderbar meine Kolleginnen loben, wenn ich mit Dritten über sie spreche – aber ihnen ein Kompliment ins Gesicht zu sagen, braucht aus irgendeinem Grund mehr Überwindung.

Warum benehmen wir uns auf diese Weise?
Warum sind wir mit uns selbst und anderen immer so überkritisch?
Warum sind wir mit liebevollen Worten derart geizig?
Warum können wir sie auf einer Geburtstagskarte formulieren, aber einander nicht mal-eben-zwischendurch im Alltag ein Kompliment machen?
Ich finde es oft traurig, dass ich keine Ahnung habe, wer diesen Blog liest und ob all die Arbeit, die ich in meiner Freizeit in diese Website und meine anderen kostenlosen Angebote stecke, überhaupt irgendjemanden interessiert. Daher schrieb ich gestern einer amerikanischen Dame, deren Bastel-Blog ich abonniert habe, einfach mal einen netten Kommentar. Ich hatte keine Ahnung, ob sie viele positive Rückmeldungen aus ihrer Leserschaft erhält oder (so wie ich) praktisch keine. Aus einem inneren Impuls heraus schrieb ich ihr einfach, dass ich ihre farbenfrohen Ideen und Anleitungen mag und ihr Gottes Segen für ihr Leben und ihr Talent wünsche (in Amerika darf man so was ja sagen, in Deutschland leider nicht…).
Daraufhin antwortete sie total gerührt und es schien, als ob sie meinen kurzen Gruß in genau diesem Moment dringend gebraucht hatte.

Also:
Einfach mal mutig sein und aus der Deckung kommen und völlig un-deutsch jemandem etwas Wertschätzendes sagen!
Ja, das kostet uns perverserweise mehr Überwindung, als andere zu be- und zu verurteilen.
Aber es ist so, so wichtig. Für unser Gegenüber und mindestens genauso sehr für unser eigenes Herz! Denn das, was wir tun und sagen, wirkt immer doppelt: Nach innen und nach außen.

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Klugscheißen: Manchmal das größte Geschenk, das wir anderen machen können

Ich bin eine Meisterin des Klugscheißens.
Meistens merke ich es erst, nachdem ich jemanden umfangreich an die Wand gelabert habe, dass ich es wohl etwas übertrieben habe.
Und auch, dass meine wirklich helfend gemeinte, serviceorientierte Erklärung wohl eher in einer fiesen Runde Besserwisserei endete.
Dann schäme ich mich immer ganz schrecklich und frage Gott, warum er mir keine innere Bremse schenkt, die wie ein Fallgitter im Burgtor runter rasselt, bevor ich mit meiner feurigen Kavallerie temperamentvoller Pferde auf mein Gegenüber los presche.
Ich meine es nur gut, wirklich. Wenn ich all mein Wissen und meine Ratschläge über jemandem ausgieße, ist das in meinen Augen ein Geschenk. Aber es geht eben auch oft daneben…

Umso glücklicher bin ich, wenn eine Person, die sehr viel mehr Sachverstand in einem bestimmten Erfahrungsgebiet als ich hat, mir gegenüber klugscheißt.
Klugscheißen kann ein echtes Geschenk sein: Wenn mein Gegenüber fundierte Kenntnisse besitzt und ich genau diesen Wissensschatz anzapfen möchte, bin ich sehr, sehr dankbar darüber. Derzeit muss ich eine wirklich schwierige Entscheidung treffen und bin so glücklich darüber, eine Freundin zu haben, die mir alle paar Tage saftige Predigten hält. Sie ist in einer Branche, in der ich Quereinsteigerin bin, schon lange beheimatet und hat umfangreiches Hintergrundwissen. Bisher habe ich meine Entscheidungen auf eigene Faust getroffen, ohne eine Insiderin vorher zu befragen – da ist eine Besserwisserin wirklich hilfreich.

Ich habe mich schon oft bei Menschen entschuldigt, die ich mit einem Abfall von Klugscheißen „beglückte“ und denen gegenüber es mir im Nachhinein leidtat.
Mir tat definitiv nicht leid, was ich gesagt habe, mir tat aber sehr wohl leid, dass ich es unbedingt mit so einer oberschlauen Haltung anbringen musste.
Wenn ich jetzt also von meiner lieben Freundin nach einem Telefonat eine „Stopp mich, wenn ich dich überrolle“-Mail bekomme, denke ich: „Nein, ich stoppe dich nicht, denn du erweist mir einen unschätzbaren Dienst, den ich sehr nötig habe.“ Vielleicht ging es den Menschen, bei denen ich mich nach einem Klugscheiß-Anfall entschuldigte, und die meinen Kniefall lächelnd abtaten, ja auch so: Sie fanden es vielleicht wirklich nicht sooo schlimm, wie es mir nachher leidtat.
Kurz: Klugscheißen auf dem Fundament eines reichen Erfahrungsschatzes kann ein wichtiger und wertvoller Freundschaftsdienst sein. Wir Frauen haben ja oft Hemmungen, klar Standpunkt zu beziehen, weil wir grundsätzlich denken: „Vielleicht kann man die Sache ja auch ganz anders sehen und ich liege inhaltlich daneben, also sage ich lieber nichts, bevor ich das Falsche sage.“
Alle, die im Gegensatz zu mir eher zurückhaltend sind, möchte ich heute ermutigen, fröhlich und mutig die eigenen Meinung kundzutun.
Und mit meiner eigenen Besserwisserei bin ich vielleicht gar nicht so eine schreckliche Kollegin und Freundin, wie ich immer dachte…