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Deinen Wert bestimmst du

„Das Schlimmste an der traditionellen romantischen Liebe ist, dass damit die Geschichte für euch mutmaßlich zu Ende ist – wenn ihr Mädchen seid. Die Musik schwillt an, sie sinkt in seine Arme, der Vorhang fällt, und sie ist erledigt. Sie driftet ab in ein Leben des Kindergebärens und der stillen Glückseligkeit. Wünscht sich nicht jedes Mädchen genau das? Nein. Viele Wege führen in ein Leben voller Liebe und Abenteuer. Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir Geschichten über das Singledasein – und über Unabhängigkeit in der Paarbeziehung – erzählen. Wir müssen uns endlich wieder an die Frauen des letzten Jahrhunderts erinnern, die aus eigenem Entschluss ohne Partner blieben, damit sie Kunst und Geschichte machen konnten, ohne dass ständig ein Mann ein warmes Essen von ihnen erwartete. Wir müssen uns ins Bewusstsein rufen, dass die modernen Versionen dieser Frauen überall zu finden sind und wir keine Angst davor haben müssen, so zu werden wie sie. Mehr als die Hälfte aller Frauen über achtzehn ist unverheiratet. Mehr als die Hälfte aller Ehen endet mit Scheidung. Es ist Zeit, die Vorstellung ad acta zu legen, eine alleinstehende Frau sei im Leben gescheitert.
Von alleinstehenden Frauen wird ständig erwartet, dass sie sich für diese Lebensentscheidung rechtfertigen. Wenn wir Frauen uns kollektiv weigern würden, die emotionale Managementarbeit zu leisten, die von uns in Beziehungen erwartet wird, hätte das ernsthafte gesellschaftliche Folgen. Daher hängt viel davon ab, dass man uns in diese Rolle zwängt und uns das Gefühl vermittelt, wertlos und nicht liebenswert zu sein, wenn wir nicht zu einem Mann gehören.“

Larie Penny in „Bitch Doktrin“, Edition Nautilus

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Der Preis für die Liebe

„Und ich glaube dennoch, dass es für viele junge Frauen die richtige Entscheidung ist, Single zu bleiben. Nichts frustriert mich mehr, als mit anzusehen, wie junge Frauen ihr Leben an farblose, undankbare, langweilige Mannskinder vergeuden, die nur ein Mädchen brauchen, mit der sie vor ihren Freunden angeben können, und das im stillen Kämmerlein Ersatzmutter und Sexpartnerin gleichzeitig ist. Ich war dieses Mädchen. Es machte keinen Spaß.
Es ist nicht so, dass die Träume dieses Mädchens gar nicht zählten, aber sie zählten immer weniger als die ihres Freundes, weil Jungs mit der Erwartung aufwachsen, dass ihre Freundin sie unterstützt. Ihr seht sie überall: erschöpfte junge Frauen, die mit ihrer gesamten Energie jungen Männern ihr Leben organisieren, ihnen Mut machen, sich um sie kümmern; Männern, die ihnen das übelnehmen, es ihnen aber noch mehr verübeln würden, wenn sie es nicht machten. Ihr seht sie für jedes Krümelchen Zuneigung kriechen, bis alles in die Brüche geht und der Teufelskreis von vorn anfängt. So kann man seine gesamte Jugend verplempern.
Für junge Frauen soll auf der Prioritärenliste ganz oben stehen, ob Männer sie in Liebesdingen gut finden, und viele junge Männer können sich eine Welt, in der wir andere Prioritäten setzen, nur schwer vorstellen. Das ist problematisch, weil von uns erwartet wird, dass wir uns dafür in allen anderen Bereichen des Lebens beschneiden. Wir sollen unsere Identität herunterspielen, wir sollen finanziell oder beruflich nicht erfolgreicher sein als unser Partner. Wir dürfen Kreativität und Ehrgeiz an den Tag legen, aber nie mehr als der Mann in unserem Leben, damit er sich nicht bedroht fühlt. Dabei gibt es wenig Männer, für die sich dieses Opfer lohnt.
„In der patriarchalen Kultur betrachten tendenziell Männer die Liebe als etwas, das ihnen zusteht, ohne dass sie sich selbst anstrengen müssten,“ schreibt Bell Hooks in „All About Love: New Visions“, „in den meisten Fällen wollen sie die Arbeit, die Liebe erfordert, nicht verrichten.“ Selbst die nettesten Männer erwarten oft, dass sie, sobald eine Frau in ihr Leben tritt, die meisten Hausarbeiten nicht mehr verrichten müssen.
Wenn ich mich über dieses monolithische Ideal der romantischen Liebe geäußert habe, kam der heftigste Widerstand von Männern, zum Teil verbunden mit Gewalt, und das ist auch kein Wunder: Männer haben in diesem traditionellen Arrangement viel mehr zu gewinnen. Männer dürfen romantische Liebe als Gefühl und Erfahrung betrachten, das ihnen als Belohnung für ihr fantastisches Ich zusteht. Ich hätte es auch nicht gern, wenn mir jemand das streitig machte.
Frauen dagegen lernen schon früh, dass wir, um geliebt zu werden, hart arbeiten müssen, und um dauerhaft geliebt zu werden, noch härter arbeiten müssen. Wir kümmern uns um Männer, die nie gelernt haben, sich um sich selbst zu kümmern, und das unabhängig davon, ob wir für eine solche Arbeit überhaupt geeignet sind. Wir tun es, weil uns eingeredet wird, dass wir andernfalls einsam sterben.“

Laurie Penny in „Bitch Doktrin“, Edition Nautilus

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Buchempfehlung: „Frauen und Kleider. Was wir tragen, was wir sind.“

„Es ist wunderbar, eine Frau zu sein, wenn man jung und dünn ist und Männern gefällt. Ansonsten gibt es nicht so viel Wunderbares daran. Uns wird gesagt, dass wir sexy sein sollten und dass wir ohne Kinder keine erfüllten Frauen seien, aber sie unter vernünftigen Bedingungen aufzuziehen, ist praktisch unmöglich. Es scheint zum Wesen des Kapitalismus zu gehören, dass Frauen vermittelt wird, dass sie in einer Tour versagen. Jede Entscheidung ist eine falsche Entscheidung.“
Christen Clifford in „Frauen und Kleider. Was wir tragen, was wir sind.“

 

 

Wer jemals Lust hatte, ein Buch darüber zu lesen, wie Frauen ihren Körper erleben und was sie warum anziehen, sollte zu diesem Kunstwerk greifen. Es sieht auf den ersten Blick aus wie ein Buch, tatsächlich versammeln sich darin Gedanken, Ideen, Sammlungen, Interviews, Meinungsschnipsel und Alltagsfotos. Es geht dabei nicht um Mode und nicht um Schönheit im klassischen Sinn, sondern um die Persönlichkeit jeder einzelnen Frau und ihr Leben. Dabei hat mich überwältigt, wie viele dieser Frauen berichten, vergewaltigt worden zu sein und wie viele täglich Sexismus und blöde Sprüche erleben. Wer bunte Bilder und fröhliche Sommerkleidchen sehen möchte, sollte eine Zeitschrift kaufen. Wer an einem ehrlichen Blick interessiert ist, wie Frauen zwischen dem Blick von außen und dem Gefühl im Inneren versuchen, den Ansprüchen anderer und sich selbst gerecht zu werden, ist hier richtig.

„Für mich erledigt sich seither ein gewisses Maß an Nervosität und Scham, was das Anziehen angeht. Jeden Tag sehen wir Tausende von Bildern: Das sind Sachen, die ihr toll finden müsst, Sachen, mit denen ihr eure Komplexe und Makel kaschieren könnt, denn ihr dürft nicht zugeben, dass ihr euch irgendwie unwohl fühlt. Unser Buch ist ein riesiges Eingeständnis. Vielleicht bringt es den Leserinnen ein wenig Erleichterung.“
Leanne Shapton, Herausgeberin

 

 

„Auf einem Flug habe ich mal eine ältere Frau kennengelernt, und wir kamen ins Gespräch. Ich sagte ihr, wie sehr mir ihr Outfit gefalle, an das ich mich im Detail gar nicht erinnern kann, aber von dem ich noch genau weiß, dass es ganz fabelhaft war. Sie dankte mir und sagte: „Jeder Tag, an dem ich aufwache und feststelle, dass ich nicht tot bin, gibt mir die Gelegenheit, zu sagen >Scheiß drauf<. Also ziehe ich mich so an.“
Fatima G.

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Buchempfehlung: „Freundinnen. Eine Kulturgeschichte“ von Marilyn Yalom

 

„Lass niemals einen Ehemann die Rolle deiner besten Freundin spielen.“ Amy Poehler

 

Der Titel des Buchs „Freundinnen. Eine Kulturgeschichte“ von Marilyn Yalom und Theresa Donovan Brown klingt bereits etwas trocken. Glücklicherweise trifft das aber nur auf die ersten Kapitel zu: Von biblischen Zeiten und der Antike bis ins Heute zieht sich die umfassende Darstellung von Frauenfreundschaften. Naturgemäß sind in patriarchalischen Darstellungen der Geschichte (also bis vor knapp zweihundert Jahren) wenig Zeugnisse von Frauen selbst erhalten. Geschweigedenn, dass sie selbst ihre Geschichte dargestellt und veröffentlicht hätten. Insofern ziehen sich die ersten Kapitel reichlich, weil wenig Material vorhanden ist und wenn, dann nur Bösartiges aus den Federn von Männern. Nein, das wiederhole ich hier absichtlich nicht, der Dreck soll aussterben!
Danach liest sich der Band deutlich flüssiger, weil Frauen selbst zu Wort kommen und Zeitgeschichte mit ihren Augen lesbar wird. Je näher die Darstellung der Gegenwart rückt, desto vielfältiger und politischer werden die weiblichen Beziehungen. Entsprechend steigt das Lesevergnügen.

 

„Unsere Freundschaft ist schon so alt, dass Zeit und Distanz nie eine Rolle gespielt haben.“
Brief von Eleanor Roosevelt an Isabella Selmes Ferguson Greenway King, 9. Oktober 1953

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Buchrezension: „Das Paradies ist weiblich. Eine Reise ins Matriarchat“ von Ricardo Coler

Herbstwald

 

Wer mein Blog seit Jahren verfolgt, wird feststellen, dass der heutige Artikel nicht „Buchempfehlung“ sondern „Buchrezension“ heißt. Und das hat einen Grund.
Ricardo Coler stammt aus Argentinien und kennt eine vom Machismo geprägte Gesellschaft. So reist er mit einem respektlosen Chinesen als Übersetzer in eine entlegene Region Süd-Chinas, um dort das Volk der Mosuo kennenzulernen.
Die Mosuo leben im Matriarchat, dabei gilt die Zugehörigkeit zur Familie über die Mutter. Männer bleiben lebenslang bei ihrer Familie und arbeiten dort unter den Anweisungen der Frau, die der Familie vorsteht. Über Nacht besuchen die Männer die Frauen, müssen jedoch vor Sonnenaufgang verschwunden sein. Da kein Kind einen offiziellen Vater hat und keine Ehen geschlossen werden, ist die Familie ein sehr starker und langlebiger Zusammenhalt unter dem Einfluss der Frauen. Wenn eine Frau möchte, lässt sie für längere Zeit nur den gleichen Mann zu Besuch kommen. Lässt er es an Loyalität diesem exklusiven Arrangement gegenüber vermissen, darf er sie nicht länger besuchen kommen. Da die Frauen die Verantwortung für die Familie tragen, wird für alle Generationen gleichermaßen gesorgt. Die Frauen arbeiten hart in der Landwirtschaft und delegieren einen Teil der Aufgaben an die Männer der Sippe. Oft lungern die Männer aber auch auf dem Dorfplatz oder am See herum und tun den ganzen Tag nichts anderes, als Karten zu spielen. Es gibt keine Gewalt, auch keine Form der Strafe bei Fehlverhalten. Es gibt weder Neid noch Streben nach Besitz und Macht. Das höchste Ziel der Frauen ist es, ihre Familie zu ernähren und in Frieden zu leben.
Bedauerlicherweise schafft Ricardo Coler es nicht, die eigene kulturelle Brille abzulegen. Es fängt damit an, dass er aus einer patriarchalen Kultur kommt, in der er als weißer Mann seit Jahrhunderten der Sieger ist. Statt sich zu überlegen, wie er wohl einer komplett anderen Kultur begegnet, in der er nur ein unbedeutender Knecht ist, holt er sich einen unhöflichen chinesischen Übersetzer. Dieser kann mit anderen Gesellschaftsformen noch weniger anfangen als Herr Coler und benimmt sich regelmäßig respektlos der Dorfgemeinschaft gegenüber. Auf diese Weise verhält sich die Sippe, in deren Hof er übernachten darf, höflich-distanziert dem Gast und seinem Begleiter gegenüber.
Ich denke: Kein Wunder. Würde ich in den Palast des aktuell regierenden Scheichs der arabischen Emirate marschieren und glauben, ich bekäme als zierliche westliche Frau einen großartigen Empfang, würde ich schneller vom Tor verscheucht, als ich laufen könnte. Andere Gesellschaft, andere Geschlechterrollen, andere Umgangsformen. Das ist doch völlig klar. Würde ich den Scheich in Abu Dhabi besuchen wollen, wäre ich doch so schlau, einen listigen und körperlich beeindruckenden Mann als Begleiter zu engagieren. Schließlich brauche ich im Herrschaftsbereich der Männer, deren Kultur mir fremd ist, natürlich einen Mann als Türöffner. Entsprechend überzeugend und sozial intelligent müsste er sein, um seinen Job als Bindeglied erledigen zu können, damit ich im Anschluss meinen Auftrag angehen kann.
Aber Herr Coler wundert sich, warum er den Eindruck hat, diesen stolzen und beherrschten Frauen keine Fragen über Sex stellen zu können. Oder über ihr privates Gefühlsleben und andere Intimitäten. Als fremder Mann aus einer anderen Kultur mit einem unprofessionellen Übersetzer, der sich in eine komplett andere Art der Wertvorstellungen begibt, kann er nicht erwarten, die Geheimnisse dieses Volkes auf einem Silbertablett präsentiert zu bekommen. Nur ein Macho aus einer patriarchalen Welt glaubt das.
Entsprechend oberflächlich sind die tatsächlichen Fakten, entsprechend schwammig fällt das Bild über das Leben der Mosuo aus. Warum das Buch ein Bestseller wurde, ist mir schleierhaft. Wenn eine gründlich recherchierende Frau mit entsprechender interkultureller Kompetenz die Mosuo besuchen und darüber schreiben würde (oder jedes andere verbliebende Matriarchat dieser Welt), würde ich das sehr gern lesen.
So ehrenwert es ist, wenn Männer Räume jenseits des Patriarchats entdecken – wenn sie sich nicht darauf einlassen und ständig alles durch ihre westliche Brille beurteilen, hat es keinen Wert.

Einen tatsächlichen Blick in den Alltag bietet das (mir bisher unbekannte) Buch „Das Land der Töchter: Eine Kindheit bei den Moso, wo die Welt den Frauen gehört “ von Yang Erche Namu.

 

 

Herbstlaub

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Paradoxe Intervention

Wie oft habe ich in den vergangenen Jahren Mädchen dazu ermutigt, sich jenseits von Rollenklischees zu bewegen? Ich erinnere mich lebhaft an viele Mädchen, wo im Spiel die Playmobil-Prinzessin ein Schwert dabei hatte (ohne entsprechende Ausstattung kam sie nicht aus meiner Spielzeugkiste raus), im Puppenhaus der Vater staubsaugte und die Mutter mit der Zeitung auf dem Sofa saß oder in der Input-Sequenz zum Stundenthema der Vater das Kind zum Impfen brachte (statt der Mutter, wie immer).
Tatsache ist, ich habe mich all die Jahre abgestrampelt, um Geschlechterrollen als gute Pädagogin aufzulösen – da kommt eine Vierjährige, will mit mir kämpfen, und ich fühle mich einfach nur überrumpelt. Ja, kämpfen, voll toll, muss man als Mädchen dringend gemacht haben, am besten öfter, das bringt die nötige Übung, aber – äh – doch jetzt nicht mit mir?!
Ich schaffte es, etwas Zeit zu schinden, indem ich die Regel aufstellte, dass erst der Mundinhalt gekaut und geschluckt wird, bevor wir kämpfen können. Ein heftig würgendes, nach Luft schnappendes Kind dank Kekskrümeln in der Luftröhre muss nicht sein. Entweder essen – oder kämpfen. In der Hoffnung, dass im restlichen Leben die Regel „Entweder essen – oder rumrennen“ und ihre Variationen in der Familie gelten. Super, zwei Minuten Schonzeit erreicht. Danach half alles nichts, wir mussten kämpfen; wobei ich auf den Knien blieb, damit wir auf Augenhöhe waren. „Treten verboten“ fiel mir als Regel auch noch ein, rangeln reicht doch als Gefecht völlig aus, oder? Auf den Knien hätte ich nicht treten können und es wäre auch von der Kräfteverteilung sehr ungerecht geworden. Dann klärte ich auf, wer auf dem Rücken liege, habe verloren – das war für sie nicht einzusehen, störte aber nicht groß. Ringen klappt auch ohne Verlierer, solange es nach der Rückenlage weiter geht.

Als großartige Feministin habe ich an mich die Erwartung (und denke, dass andere sie auch haben), dass ich körperliche Auseinandersetzungen in einem fairen Rahmen für alle Geschlechter gut finden sollte. Für Mädchen ganz besonders, unbedingt, wir wollen doch nicht im Teenageralter mit peinlichen Selbstverteidigungskursen anfangen, wo man dem fremden Mann zwischen die Beine treten muss. Wie wunderbar natürlich, wenn Kindergartenmädchen freiwillig mit dem Prügeln beginnen, ganz ohne Hemmungen! Einfach gucken, wie weit ich so komme und was mir währenddessen einfällt, bis die / der Andere nicht mehr kann. Hau drauf, Antonia-Sophie! Super.

Leider stelle ich fest, dass ich mich nicht gerne mit jemandem schlage, auch nicht zu pädagogischen Zwecken und im Sinne der Emanzipation. Auch nicht ganz friedlich im Sonnenschein auf der Wolldecke mal kurz eine Runde kloppen. Sorry, aber das macht mir keinen Spaß. Doch im Rahmen des Jobs – was soll ich da tun? Mitmachen, also. Jetzt zwingen die Mädchen die Frau Krüerke zu korrektem Verhalten jenseits der Geschlechterklischess – statt umgekehrt. Paradoxe Intervention, so was.

 

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„Mama, Papa, sooooo kräftig haben wir uns gekloppt, es war ganz wundervoll!“
Ich warte auf den Tag, an dem Eltern tatsächlich stolz sind, wenn ihre Töchter das berichten.

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Männer sind natürlich immer herzlich mitgemeint

Anlässlich des Internationalen Frauentags am heutigen achten März verblogge ich ein wunderbares Zitat, das ich hier fand:

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Welche Sprüche kannst du nicht mehr hören? Welche schlagkräftigen Antworten hast du parat?

„Habt Ihr Frauen nichts Wichtigeres zu tun als mit schwerfälligen Doppelformen die deutsche Sprache zu verhunzen?!“
– Es ist tatsächlich lästig, die Männer immer mitzuerwähnen. Unsere Sprache wird weiblich-eleganter, wenn wir das generische Maskulinum durch ein generisches Femininum ersetzen. Nach dem Rotationsprinzip kann das dann für die nächsten zweitausend Jahre erstmal so bleiben. Männer bzw. unsere männlichen Mitbürgerinnen sind natürlich immer herzlich mitgemeint.

 

Luise F. Pusch ist feministische Sprachwissenschaftlerin. Ihr Blog heißt Laut und Luise, bei Twitter ist sie @luisepusch.

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Sexistische Kackscheisse

Heute mal Butter bei die Fische:
Was ist schlimmer – unseriös Fluchen oder Darstellungen von Frauen in Werbung und Medien, die Rollenklischees bedienen und weibliche Personen auf ihren Körper reduzieren?
So niveaulos ich den Begriff „sexistische Kackscheisse“ finde, muss ich dennoch konstatieren: Wenig regt mich auf dem Weg durch die Stadt, Fahrrad fahrender Weise, mehr auf als Machos mit markigen Sprüchen an Litfasssäulen oder nackige Schönheiten, die an Plakatwänden für absolut alles werben – von Babynahrung bis Sterbekasse. Ehrlich!
Da komme ich mit Autos, die mich in den Parkstreifen abdrängen und mir haarscharf das Schienbein demolieren, fast besser klar.
Für das Bildungsbürgertum steht außer Frage, dass Niveaulosigkeit stets mit dem demonstrativen Beweis perfekten Anstands entgegen zu treten ist.
Bedauerlicherweise ist ein gutes Elternhaus sowohl den Plakatwänden als auch den verantwortlichen Marketingmenschen als auch den Hohlpfeifen um uns herum komplett egal.
Somit nehme ich Anlauf und kontere Niveaulosigkeit mit platten Sprüchen.
Das bedeutet: Was hohles, sexistisches Gewäsch ist, wird von mir ab sofort mit dem entsprechenden Aufkleber als solches diffamiert. Nein, nicht diffamiert: Enttarnt.
Sexistische Werbung ist nicht cool, nicht lässig, nicht modern, nicht trendig, nicht sexy, nicht aufsehenerregend: Sie ist für fünfzig Prozent der Bevölkerung, Mädchen in der Entwicklung ihrer Identität eingeschlossen, erniedrigend und schlichtweg überflüssig.
Und, ja, ich stehe dazu: Ab heute bin ich mir nicht mehr zu fein, das „sexistische Kackscheisse“ zu nennen.
Wer mir einen besseren Spruch nennt, der auch bildungsferne Schichten mit minimaler Lesekompetenz erreicht und als Aufkleber gedruckt werden kann:
Diese erfreuliche Möglichkeit, politisch korrekt Stellung zu beziehen, käme mir vorzüglich gelegen, herzlichen Dank im Voraus.

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Nicht zuständig

„Frauen erkunden den weiten Garten der Opferbereitschaft.
Dieser Satz ist seit 10 000 Jahren wahr.
Aber jetzt reicht’s. Ich will keine dieser Frauen sein. (…) Millionen von Frauen mussten ihre Hoffnungen aufgeben. Ich werde das nicht tun!“

sagt Celine (gespielt von Julie Deply in „Before Midnight“, zitiert in „Neon 6/2013“)

Ich habe einen neuen Satz, den ich mir vor Kurzem selbst beigebracht habe und den ich noch hart umkämpfen muss, bis er mir wirklich selbstverständlich über die Lippen kommt.
Diese Aussage ist „Ich bin nicht zuständig“ beziehungsweise „Das ist nicht mein Problem“.
Als typische Therapeutin kümmere ich mich auch in der Freizeit um Alles und Jedes, und beileibe nicht nur um meine eigenen Angelegenheiten.
Es gibt unendlich viele Dinge, die „Frau“ übernimmt, kaum dass sie „Mann“ kennenlernt. Noch bevor die beiden wirklich ein Paar sind (geschweigedenn in einer Beziehung leben, die als Langzeitmodell gedacht ist und zusammen gezogen sind), kümmert sie sich um so viele Belange in seinem Leben, dass beide innerhalb weniger Monate nicht mehr wissen, wie es vorher lief:
Eh sie sich’s versieht, stemmt sie im Sinne des eigenen Ehrgeizes gleich zwei Leben und deren Organisation (von gesunder Ernährung bis zu Glückwünschen an (ihr wildfremde) Verwandte alles Themen, die er nicht mag).
Und wozu das alles?
Warum sammeln wir Frauen rechts und links ständig unbezahlte, unbeliebte Aufgaben am Wegesrand, die für immer an uns hängen bleiben, elendig viel Energie verbrauchen und nie honoriert werden?
Weil wir glauben, wir sollten es?
Weil es sonst niemand tut?
Weil wir für eine gesündere, ordentlichere, sauberere, gebildetere Welt kämpfen (und nichts erreichen, außer uns selbst aufzureiben)?
Weil es „die anderen Frauen“ ebenfalls tun – dem Mann neue Socken kaufen und gegen die löchrigen austauschen, der Tochter teure Geigenstunden vom mageren Teilzeitgehalt finanzieren, den Sohn dreimal pro Woche zum Fußballtraining und zurück kutschieren, den Schwiegereltern nette Grüße zukommen lassen, die eigene Mutter regelmäßig anrufen, der Nachbarin im Urlaub den Garten gießen und nebenher die kranke Kollegin vertreten?
Und das alles, ohne je dafür einen Ausgleich oder eine Gegenleistung zu fordern!
Wie blöd sind wir eigentlich, Mädels?

Mir reicht’s.
Ich bin ab heute nur noch für meine eigenen Angelegenheiten zuständig:
Alle anderen Verpflichtungen gehören sortiert und, wenn nötig, gestrichen.
Ich bin für viel weniger zuständig, als andere mir suggerieren.

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Nachtrag
„Nicht mein Problem“: Warum sagen Männer das so viel öfter und selbstverständlicher als wir?
Und warum dürfen Männer so etwas sagen, wir Frauen aber werden dafür schief angeschaut?

aufmerksam

Kindermund: Polizei auf Abwegen

Szenen aus meinem Alltag als Logopädin:

Typische Barbie-Mädchen, die Glitzerpferde mit in die logopädische Stunde bringen, kommen bei mir nicht in den Genuss, ihre Gewohnheiten auszuleben:
Ich gebe ihnen grundsätzlich blaue oder grüne Trinkbecher (statt pinkfarbener) und entferne rechtzeitig die Playmobil-Prinzessin aus der Playmobil-Kiste, um sie zu verstecken. Falls auf der Prinzessin bestanden wird, statte ich sie mit Schwertern oder ähnlichem aus, damit das Mädchen lernt, dass Schönheit einem im Ernstfall nicht hilft (Schwerter langfristig auch nicht, aber das ist die nächste Lektion).
In diesem Zusammenhang meinte ein türkisches, sehr pink-liebendes kleines Mädchen in der Therapie während des Spielens:
„Polizei haben fliegende Teppich. Hier ist Königin-Polizei, die fliegt mit Teppich.“

Und die Moral von der Geschicht:
Türkan* konnte sich darauf einlassen, die Prinzessin wegzulassen und stattdessen in die Rolle der Polizistin zu schlüpfen, unter der Bedingung, dass die Polizistin im Herzen adelig ist.
Was soll ich da noch sagen?!

* Name geändert