aufmerksam

Kurze Auszeit: Spaziergang rund um den Segeberger See

Wer eine kurze Auszeit vom Hamburger Stadtleben wünscht, wird am Segeberger See fündig: Mit der Regionalbahn oder dem Bus ab Ochsenzoll dauert die Anfahrt eine Stunde, angesichts des 9-Euro-Tickets empfehle ich einen Ausflug unter der Woche. Dann gibt es auch einen wirklich wunderbaren Mittagstisch im Bistro „Die Spindel“, untergebracht in einer ehemaligen Spinnerei. Wir saßen im grünen Innenhof zwischen alten Gebäuden, Küchencrew und Service bieten Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Unsere Gerichte waren lecker, großzügig portioniert und preislich sehr fair!

Durch die Fußgängerzone, die mit diversen Holzkästen und Mitmach-Beeten für Passanten gestaltet wurde, liefen wir am romantischen Cafe „Goldmarie am See“ auf die Seepromenade und tauchten schon kurze Zeit später in einen dichten Laubwald ein. Unterwegs passierten wir eine Schutzhütte, sodass bei Regen auch ein wetterfester Unterstand zum Picknicken bereitsteht. Die zweite Hälfte um den See führt durch Wiesen und Felder, wer mag, zieht noch einen Schlenker um zwei benachbarte, kleinere Seen.
Völlig unspektakulär, aber sooo entspannend!

 

aufmerksam, glaubhaft

Hunger nach Gott: Warum trockene Käsebrote nicht helfen

Anna Kaufmann erzählte neulich die Geschichte einer Familie, die ihre eigenen belegten Brote mit auf eine Kreuzfahrt nahm. Hier stelle ich sie in meinen Worten vor:
Die Eltern buchten zwei Kabinen für sich und ihre Kinder, was nur mit Hilfe ihrer Ersparnisse möglich war, packten Proviant ein und gingen an Bord. Sie genossen die Stationen ihrer Reise, entdeckten verschiedene Städte und Inseln. Doch die Kinder waren hungriger als sonst, und die Nahrungsmittel reichten nicht. Als abzusehen war, dass dieses Problem gelöst werden musste, ging der Vater zu einem Kellner und fragte, ob sie vielleicht einzelne Mahlzeiten zubuchen könnten. Nicht gleich Vollpension, sondern eine Mahlzeit pro Tag, um die Kosten übersichtlich zu halten. Der Restaurantkaufmann reagierte irritiert und erschrocken, wollte keine Antwort geben und bat um einen Moment Geduld, um die Vorgesetzte zu holen.

Die Vorgesetzte war sich nicht sicher, ob sie das Anliegen verstanden hatte, fragte mehrfach nach und meinte dann: „Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit der Buchung der Kreuzfahrt nicht nur die Kabinen bezahlt haben, sondern von morgens um sieben bis nachts um eins in sämtlichen Restaurants speisen können? Dies ist eine All-Inclusive-Reise: Sie haben einmal bezahlt und können sämtliche Angebote des Schiffs in Anspruch nehmen. Von den Sportgeräten bis zum Eis-Café!“
Warum haben sich die Eltern mit den längst trocken gewordenen Käsebroten begnügt?
Warum glauben wir nicht, dass Gott es wirklich gut mit uns meint?
Warum meinen wir, von einzelnen Brotkrumen satt werden zu müssen, indem wir uns mit verflachten Traditionen bescheiden, statt uns nach Gottes ganzer Fülle auszustrecken?
Durch Jesus haben wir uneingeschränkten Zugang zu Gott (das feiern wir Ostern), durch den Heiligen Geist haben wir einen Komplizen, der uns Gottes Gegenwart erfahrbar macht und hilft, mit Gott in Kontakt zu kommen und zu bleiben (das feiern wir Pfingsten).

Warum haben wir nicht mehr Hunger danach, Gott wirklich spürbar und präsent in unserem Alltag zu erleben?
Warum zwingen wir unsere Sehnsüchte mit einem Zischeln und einem Finger auf dem Mund zur Ruhe, statt sie ungefiltert heraus brechen zu lassen und vor Gott zu bringen?
Warum meinen wir, uns in bestimmte Riten, Frömmigkeitsstile und Gemeinden hinein pressen zu müssen, statt die Tiefe unseres Hungers ernst zu nehmen und bei Gott stillen zu lassen?
Kurz: Warum sind wir dermaßen knickerig mit uns selbst, statt unseren himmlischen Vater, der allmächtig ist, für uns sorgen zu lassen?
Er täte es so gern, wenn wir ihm nur unser Herz öffnen könnten.

aufmerksam, feminin

Jippie-ja-yeah: Endlich besitze ich ein Stand-Up-Paddleboard!

Uiuiui, da hatte ich gestern dezentes Herzrasen:
Das erste Mal mein Stand-Up-Paddle-Board aufpumpen, benutzen und heil wieder auf dem Fahrrad nach Hause hühnern! Mitte der Woche hatte ich es second-hand nach der Arbeit abgeholt und unfallfrei auf dem Gepäckträger nach Hause geradelt. Nun waren diverse Neoprenschuhe per Post gekommen, von denen zumindest ein Paar passte – und es hielt mich nichts mehr! Auf zur Jungfernfahrt, pfeif auf 15°C und fehlende Profiklamotten an den Beinen: Die Regenhose musste es tun.
Der von mir ausgewählte Steg war belebter und beliebter als gedacht, was ganz praktisch war, so schnackte ich nett sowohl beim Auf- als auch beim Abbauen mit Wildfremden und hatte weniger Zeit, Angst vor Fehlern zu entwickeln.

Tatsächlich gibt es mitten in Hamburg ganz lauschige Ecken, die ich mir nur mit einem sehr niedlichen Haubentaucher und einem hektischen Buntspecht teilte. Ersterer ergatterte vor meinen Augen einen Fisch und schwamm sehr stolz vor der Nase des Boards damit herum… Der Blick in seinen Augen sagte eindeutig: „Mein Fisch! Feiner Fisch! Schau mal: Lecker Fisch!“
Nach zwei Jahren, die komplett aus Corona-bedingtem Verzicht auf absolut alles Vergnügen und dafür doppelt und dreifach viel Arbeit bestanden, habe ich mir eine Belohnung mehr als verdient. Und einen Beitrag zu mehr Lebensfreude, denn ein Ende von Corona und Krieg sind wirklich nicht abzusehen…

Zum Schluss mal austesten, wie gemütlich es sich sitzen und chillen lässt – Yoga auf dem Brett kommt später. Die Vorbesitzerin erzählte, sie habe mal das Abendbrot in den Rucksack gepackt und auf dem Wasser verzehrt: Auch eine gute Idee.
Da der ganze Spaß sich trotz second-hand und möglichst günstiger Sportklamotten (nur die Hose fehlt noch…) doch ordentlich zusammen läppert, wie man bei uns sagt, hoffe ich, dass ich einige Jahre daran Freude haben werde. Derzeit werde ich von einem tierischen Muskelkater gut unterhalten… der war wohl für die erste Runde im Preis inbegriffen.

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Zum Jahreswechsel im Klützer Winkel: Die Ostsee ganz allein für mich!

Nach knapp zwei Coronajahren zu-zweit-Zuhause-sitzen-außer-ich-muss-zur-Arbeit war es ganz ungewohnt, alleine zu verreisen. Mein Mann und ich konnten nicht gleichzeitig Urlaub bekommen, daher radelte ich auf eigene Faust durch den Klützer Winkel. Nachts fand ich das Alleinsein sehr ungewohnt, tagsüber sauste ich kreuz und quer durch den westlichsten Zipfel Mecklenburgs.

Im Lenorenwald war die Fahrspur oft nicht erkennbar, da überall riesige Pfützen standen, die eher zu Durchschwimmen als Durchfahren einluden. Dafür spiegelten sich die kahlen Buchen vor dem blauen Januarhimmel sehr malerisch in den Überschwemmungen: Wir sollten uns einfach an dem erfreuen, was da ist, statt über das zu schimpfen, was den Weg versperrt (-; !
Zumindest, bis der Schlamm so überwältigend wird, dass der Schweiß tropft und das Rad unter den Matschkrusten kaum noch zu erkennen ist…

Neben sehr vielen Katzen, die sich überall entlang der schmalen Landstraßen in den Gräben die Sonne auf den Pelz scheinen ließen, hielt jeder dritte Haushalt Hühner. Ständig standen Kästen an der Straße, an denen ich über eine Vertrauenskasse ganz privat gelegte Eier hätte erwerben können. Hier freute ich mich an den Sonnenstrahlen, die die Kämme der Hühner im Gegenlicht zum Leuchten brachten.

Ich bin ausgesprochen stolz auf mich, komplett ohne Smartphone, Navi und Landkarte immer den richtigen Weg gefunden zu haben. Eines Tages kam ich plötzlich an Schloss Bothmer heraus, das war dann doch etwas überraschend. Aktuell hat das Schloss nur am Wochenende geöffnet, und natürlich war es gerade Donnerstag, also nichts zu machen.

So offensichtlich es ist, dass die Tage kurz sind und das Tageslicht mit dem Fahrrad unterwegs gut genutzt sein will: Trotzdem war es manchmal ein bißchen hetzig, wenn ich vor der völligen Dunkelheit in einem fremden Landstrich noch heil zurück in die Ferienwohnung kommen wollte.
Abends gab es täglich ein großes Geschrei von Kranichen, die in Schwärmen über die leeren Felder flogen und sich nicht einig waren, wo sie sich zum Übernachten niederlassen wollen. Oder wer aus dem Schwarm dabei sein durfte und wer nicht – oder was immer das Krakeele verursachte.

Schloss Kalkhorst war eine wunderbare Entdeckung, neben der Schönheit des Gebäudes lag der Charme ganz klar im Park. Darin versteckt viele ungewöhnliche Baumarten, eine Familienkapelle/-gruft, ein malerischer Teich und der sogenannte Felsengarten (Bild oben). Nur die sichtbaren Spuren der Nazis, erkennbar an alten Inschriften am Haus, trübten das Vergnügen etwas.

Und dann fand ich sie doch: Die beiden Mammutbäume im Lenorenwald, ein weiterer steht im Park von Schloss Kalkhorst. Wenn wir jetzt noch einmal 400 Jahren warten, dann sind sie richtig imposant! Bis dahin hilft die richtige Kameraperspektive und das Betasten der watteweichen Rinde, sehr ulkig.
Kurz: Wer an der Lübecker Bucht den Stadtmief hinter sich lassen möchte, ist auch im Januar im Klützer Winkel richtig. Jenseits der völlig zugebauten Küstenorte von Travemünde bis Sierksdorf gibt es hier jede Menge Luft, Weite, Ruhe und Bewegung. Zum Abschied traf ich sogar noch einen Seehund – Seele, was wünschst du mehr?

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Wunschzettel für den Urlaub: Aktiv und bummelig die Seele baumeln lassen

Meine persönliche Aktivitätenliste für einen Urlaub an der Nordsee, der Herz und Hirn gut tut.
Zur Nachahmung empfohlen, egal, in welchem Ferienort.
1.) Wocheneinkauf in einem fremden Supermarkt
Jaaaa, ich gebe zu, so wahnsinnig viel Lust hatte ich nicht, den Einkauf für unsere Urlaubswoche anzugehen. Aber allein durch einen fremden Supermarkt zu laufen, kann auch ganz schön sein. Selbst, wenn es nicht so unterhaltsam wie in Skandinavien oder Frankreich ist – auch ein unbekannter Edeka kann Teil des Ferienprogramms sein, wenn ich mir Zeit lasse, statt durch die Gänge zu galoppieren. Und wenn der Ehemann in der Ferienwohnung arbeiten muss, ist selbst die Pflicht eine verhältnismäßig entspannte…
2.) Kunst genießen
Ich brauche keine ganz besonders große Kunst, die am Besten noch brutal und verstörend ist. Mir reichen ein paar Ölgemälde im historischen Gemeindesaal und der Besuch in einer Töpferei. Das mag spießig und seniorengerecht klingen, aber mich inspiriert es und hebt meine Laune nachhaltig. Besonders, wenn ich der Kunst dicht auf die Haut rücken kann, um herauszufinden, wie ein bestimmtes Bild entstanden ist. Allein zu sehen, dass ein wirklich gelungenes Gemälde von einem echten Könner offensichtlich mehrfach komplett neu gemalt wurde, wie die Farbränder am Rand der Leinwand zeigen, empfinde ich als enorm ermutigend.

3.) Einen Sport jenseits des Alltags ausprobieren
Alle paar Jahre nutze ich den Urlaub, um eine Reitstunde zu buchen – zuletzt auf der Gemeindefreizeit auf Rømø. Ich werde wohl nie verstehen, warum Personen, die Ausritte für AnfängerInnen anbieten, derart ruppig und herzlos sind und damit jedes Mal einen Teil meiner Freude stehlen. Es ist und bleibt mir ein Rätsel. Nichts desto trotz versuchte ich, die Zeit mit meinem namenlosen Pony zu genießen und zehre noch eine Woche später vom Muskelkater (-;

4.) Zu seltsamen Tageszeiten spazierengehen
Damit mein Mann trotz Arbeit die Woche genießen konnte, gingen wir jenseits der üblichen „Draußen-aktiv-sein-Zeit“ spazieren. So erlebten wir einen wunderbaren Dämmerungsspaziergang, bei dem wir zwischendurch das Quermarkenfeuer passierten und am Ende vom Leuchtturm durch die Dunkelheit geleitet wurden. Einen Seehund trafen wir auch, der offensichtlich gehofft hatte, dass all die Nervensägen endlich drinnen vor dem Fernseher saßen oder sich in Restaurants mit der Seuche infizierten.

5.) Meine heißgeliebten „Auf-dem-Bauch-liegend-Perspektiven-Fotos“ schießen
Ich bin immer auf der Suche nach dem finalen, endgeilen Foto von „Strandgut im Vordergrund und Wellen im Hintergrund“. Das ist eine reichlich feuchte Angelegenheit, bei der schnelles Aufspringen, Strandgut retten und vor Riesenwellen davon rennen (aus dem Liegen hoch hechtend) nötig sind.
Full-Body-Workout nennt man das, glaube ich.
Ach ja, Bernstein suchen gehört seit Kindheitstagen auch dazu, im Bild oben ist KEIN Bernstein zu entdecken. Leider.
6.) Eine ausgewogene Ernährung hilft dem Großstadtgestressten Körper, sich von innen heraus zu erholen. Und zu entgiften, ganz wichtig: Nichts geht heute mehr ohne entgifffften
Mein Tipp: Kuchen zum Mittagessen.
Heute.
Gestern.
Und vielleicht morgen noch mal.
Lässt sich ideal beim Traditionsbäcker abholen, auf langen Touren in der Vorratsdose mitnehmen und mit sandigen Händen (siehe oben) essen.
Kinder gibt’s hier keine, die erzogen gehören und ein verlässliches Vorbild brauchen. Jippieh!

7.) 38000 Mal das gleiche Motiv fotografieren, während wir uns ihm nähern, daran vorbei wandern und uns wieder entfernen
Weil’s geht.
Und Spaß macht, möglichst viele Perspektiven und Varianten zu finden.
Und weil es in Hamburg keine Leuchttürme gibt.
Also: Draufhalten, bis die Möwe weint.

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Urlaub ist ein schöner Ort

Manche Orte haben einen so elementaren Platz in meinem Herzen wie ein besonders lieber Mensch.

Damit ich meine seelische Betriebstemperatur halte, muss ich regelmäßig ans Meer. Hätte ich eine Bedienungsanleitung, enthielte spätestens der dritte Satz einen entsprechenden Hinweis: „Mindestens ein bis zwei Wochen pro Jahr muss dieses Individuum ans Meer transportiert werden. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, muss das Produkt ausführlich den maritimen Witterungsbedingungen ausgesetzt werden. Sonst drohen vorzeitiger Verschleiß, sinkende Produktivität, emotionale Unberechenbarkeiten.“

Der erste Weg zum Strand ist für mich jedes Mal wie eine Neugeburt:
Das erste Mal über die Bohlenwege durch die kilometerbreiten Dünen, dann hinunter an den Strand, weitere 300 bis 600m über den Kniepsand bis zur Wellenkante. Hinter uns stand ein Regenbogen – das ideale Versprechen Gottes, uns zu segnen und unsere Auszeit heilsam zu begleiten.
Wenn ich dann endlich am Spülsaum stehe, die Brecher vor mir an den Strand krachen und die Strandläufer durch die Gischt rennen – dann bin ich Zuhause.
Endlich.

Nur Himmel, Weite, Wind und Meer.
Und ich mittendrin.
Danke, Jesus.

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Gott in der Natur erleben: Urlaub mit der Schöpfung

Frisch aus dem Urlaub und zurück im Corona-verseuchten Hamburg kann ich nur staunend an unsere Erlebnisse in Mecklenburg zurückdenken:
Gottes Schöpfung ist einfach großartig.
Wir wohnten in direkter Nähe zu einem Kranich-Schwarm und mehreren Storchennestern. Im Garten besuchte uns regelmäßig ein Reh, und den Fuchs verpasste ich leider, weil ich konzentriert las. So viele Vögel wie noch nie haben wir gesehen, die mir fast alle unbekannt waren. Außerdem Ringelnattern, eine Blindschleiche, mein heißgeliebter Grünspecht. Jeden Abend verdunkelte eine riesige Wolke Stare den Himmel, während es nachts endlich einmal komplett still war.


Gott ist großartig, und seine Schöpfung ebenso.
Für uns oft nicht verständlich, schwer zu fassen, als moderne Stadtmenschen von beidem entzweit: Der Stille, in der sich Gott finden lässt, und der Lebenswelt der Wildtiere. Beides bewegt sich außerhalb unserer Kontrolle; außerhalb unseres Glaubens, dass alles machbar sein müsste.
Dennoch, wie kostbar, zumindest eine kurze Zeit lang weit außerhalb von allem zur Ruhe kommen zu können.

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Echt sein. Lebendig sein.

„Er wies auf die vollen Straßen und die hupenden Autos. „Das hier ist das wahre Leben, hier fühlt man sich lebendig! Wenn ich in England bin, habe ich das Gefühl, dass dort Zombies rumlaufen. Das hier ist echt.“
Echt. Es war dasselbe Wort, das Hossein verwendet hatte, um zu beschreiben, warum er in den Iran zurückgekommen war. Allmählich begann ich zu verstehen, was sie meinten. Auch ich spürte die ganze Zeit diese „Echtheit“, und sie war erregend, energiegeladen. Es fühlte sich an, als wäre das die Art und Weise, wie Menschen eigentlich miteinander umgehen sollte: sich in die Augen sehen und über die Dinge reden, auf die es wirklich ankommt, wirklich alles wahrnehmen und sich nicht wegen jeder Kleinigkeit Sorgen machen. Plötzlich hatte ich den Gedanken, ob die Lebenslust vielleicht deshalb hier so ausgeprägt war, nicht obwohl, sondern weil man unter einem autoritären Regime lebte. Aber als ich Omid danach fragte, widersprach er.
„Nein, wir Iraner sind einfach so (…)“

aus: Lois Pryce, „Im Iran dürfen Frauen nicht Motorrad fahren. Was passierte, als ich es trotzdem tat“ (ein fantastisches Buch über das Leben, das Reisen, Identität und die Realität des Frauseins)

Authentizität und Lebensfreude sind prägende Begriffe meiner Identität.
Gerade entdeckte ich einen Sänger wieder, den ich als Teeny total toll fand. Der Typ singt nicht im klassischen Sinne „schön“, und manche seiner verbalen Schlenker im Instrumentalteil eines Songs klingen in den Ohren einer Ex-Logopädin schräg und nach üblichen Maßstäben nicht wünschenswert. Aber egal: So singt sonst keiner auf der Welt, der Mann ist einfach echt.

Mein Leben ist kurz und kostbar, ich habe keine Zeit und keine Energie, mich permanent so zu verhalten, dass andere mit mir zufrieden sind. Wozu auch?
Warum sollte es mir wichtig sein, in eine bestimmte Schublade zu passen und dort ein attraktives Bild abzugeben?

Ich finde es schade, dass wir so viel Zeit damit verbringen, in den gesellschaftlichen Konsens zu passen und von unseren Mitmenschen für eine oberflächliche Fassade anerkannt zu werden.
Je mehr ich meinen Begabungen entsprechend handle und je konsequenter ich darauf pfeife, wer was von mir hält, desto fruchtbarer und sinnerfüllter ist mein kurzer Auftritt auf diesem Planeten.

Das ist eins der Geheimnisse des Lebens, glaube ich:
Je mehr wir den Erwartungen entsprechen wollen, desto unglücklicher werden wir (selbst, wenn wir sie erreichen oder übertreffen und glücklich sein müssten). Und je mehr wir uns von äußeren Bedingungen lösen und das lebendig und real werden lassen, das in uns schlummert, desto mehr beschenken wir unsere Mitmenschen und desto erfüllter leben wir selbst.

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Aufatmen und durchpusten lassen

Nach einer Woche auf Fehmarn dachte ich gestern:
„Was machen wir eigentlich in Hamburg? Hier ist es voll, laut, hektisch, dicht bebaut…. was tun wir hier bloß?
Ach ja, wir leben hier.
Mist.“

Fehmarn im Herbst ist wirklich, wirklich unspektakulär. In der Hochsaison locken Kurse zum Surfen und Kiten, das Siloklettern, Reiten und andere Aktivitäten. Ende Oktober ist davon kaum noch etwas zu spüren. Aber die Küste ist zu jeder Jahreszeit schön, und wenn ich am Strand laufen kann, bin ich immer glücklich.
Im Hofcafé Kuchen zum Mitnehmen kaufen und auf eine Bank am Strand von Gold setzen, um mit vollem Mund den Wassersportlern zuzuschauen, geht auch im Herbst. Beim Leuchtturm vorbei radeln und abends im Dunkeln zum Strand stapfen, um Sterne zu zählen, macht auch bei frischem Wind Spaß.

Nun ist Reisen bis auf Weiteres untersagt, und die Frage bleibt: Wo können wir abschalten und auf Distanz zu unserem Leben gehen, wenn der Alltag virusbedingt wieder stark eingeschränkt werden muss?
Wo finden wir die Möglichkeit zum Durchatmen?
Wo entdecken wir Freiräume?
Was bleibt uns in den Wintermonaten, wenn sicher und dennoch effektiv eine Auszeit aus der Routine benötigt wird?

Ich wünsche uns allen gute Ideen, um auf Distanz zusammenzuhalten und die Nerven zu bewahren.
Und die Dankbarkeit für Begegnungen am Telefon und Auszeiten in der Natur.

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Im Winter an die Nordsee: Tipps für einen unterhaltsamen Inselurlaub

Im Winter ans Meer zu fahren, wird immer beliebter.
Theoretisch finde ich es gar nicht gut, weil damit die einzige noch bezahlbare (Nicht-)Saison intensiver nachgefragt wird. Eine Woche Insel im Februar ist genauso teuer wie eine Woche Sommerurlaub in Skandinavien, berühmt-berüchtigt als kostenintensivste Urlaubsländer.
Praktisch kann ich die Flucht ans Meer, selbst im Winter, gut nachvollziehen: Dunkel, nass und stürmisch ist es auch in der Großstadt, warum dann nicht die Kraft der Elemente an der Nordsee erleben?

Die Vorsaison der Vorsaison startet mit dem beeindruckenden Biikebrennen Ende Februar. Überall in Nordfriesland werden riesige Feuer (aus Tannenbäumen, sturmgefällten Bäumen und Heckenschnitt) entzündet. Ursprünglich von den Friesen als Feuer für Wotan entfacht, wurden später damit die Seefahrer und Walfänger ins neue Arbeitsjahr verabschiedet, bis sie im November vor den größten Stürmen zurückkehrten. Der Abschied des Winter spielt dabei natürlich auch eine Rolle, heute ist die Bedeutung der Tradition weitgehend egal.
Die Küste entlang zu schauen und die Feuer auf der eigenen Insel und bei den Nachbarinseln gegenüber brennen zu sehen, ist sehr archaisch und spektakulär.
Da es am 21. Februar mit hoher Wahrscheinlichkeit nass, kalt und stürmisch ist, sorgen die örtlichen Feuerwehren für Punsch, Grünkohl und einen trockenen Unterstand.

In manchen Orten gibt es zum Biikebrennen neben Fackelzügen auch Ansprachen und Gottesdienste auf friesisch, einer „echten“Sprache, die wirklich für Außenstehende nicht zu verstehen ist. Sehr zu empfehlen!

Die örtlichen Naturschutz- und Kulturvereine stellen selbst im Februar ein abwechslungsreiches Programm mit mehreren Veranstaltungen pro Tag auf die Beine. So zum Beispiel archäologische Führungen zu Hügelgräbern und Funden aus der Steinzeit.
Auch Wattwanderungen zur heimischen Tier- und Pflanzenwelt, Nachtwanderungen, Bernstein schleifen und Knotenkurse für Kinder werden angeboten. Sogar Wattwanderungen von einer Insel zur nächsten, wie von Föhr nach Amrum, werden im Winter durchgeführt – inklusive ausgeliehenen Wathosen für das Durchqueren der Priele.

Zum Biikebrennen öffnen einige Restaurants und Cafés ihre Türen, bevor sie zurück in den Winterschlaf sinken. Die meisten Lokalitäten öffnen erst kurz vor Ostern, daher lohnt es sich, das Wochenende mit dem Besuch von Friesenstuben und Fischlokalen zu nutzen. Anschließend heißt es wieder Selbstverpflegung und sich mit dem gesamten Rest der Insel zu den kurzen Öffnungszeiten der wenigen Cafés zu drängeln.
Denn wenn etwas geöffnet ist, und sei es nur für drei Stunden am Nachmittag, ist es garantiert knackvoll! Dass die Touristen jetzt auch schon im Winter kommen müssen, schrecklich… (-;

Sogar der Leuchtturm hat an einigen Tage stundenweise geöffnet oder eins der örtlichen Museen:
Naturschutzausstellungen mit Wasserbecken für kleine Tiere, präparierte Walskelette, Ausstellungen über die Seefahrt oder historische Kapitänshäuser gibt es auf den Inseln überall. Auch Vorträge über die Historie und Natur der Insel warten auf neugieriges Publikum.

Ein Spaziergang durch die Inseldörfer mit dem Besuch der abgesoffenen Seeleute historischen Grabstätten, ein Gottesdienst unter schwebenden Viermastern oder ein Konzert in einer Bar bringen zusätzlich Abwechslung.

Wenn gar nichts mehr geht, jedes Quermarkenfeuer schon fünf Mal fotografiert wurde, die Gänse in der Vogelkoje nur noch zum Gähnen anregen, der Strandausritt wegen Sturm abgesagt wird und die Sauna trotzdem nicht lockt:
Müll sammeln für eine saubere Umwelt, gesunde Fische und Vögel sowie weniger Mikroplastik in den Weltmeeren geht immer!

Schon nach einer Woche auf den Inseln ist die Rückkehr nach Hamburg ein intensiver Kulturschock:
Alles so laut, so voll, so unruhig hier!
Umso größer die Sehnsucht, bald wieder Freiheit und Weite an den endlosen Stränden zu finden.