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Buchempfehlung: „Glückliche Ehe“ von Rafael Yglesias

Wer ein Buch lesen möchte, das von der Liebe und dem Leben ohne Pathos und Schmalz berichtet, sollte es mit diesem Roman versuchen:
Die Handlung besteht aus zwei Erzählsträngen. Im Rückblick wird die männliche Hauptperson, Enrique, in seiner jugendlichen Energie und Zerrissenheit beschrieben. Er lernt Margaret, seine spätere Frau kennen und versucht, sie für sich zu gewinnen.
Parallel wird die Gegenwart geschildert, in der die beiden trotz Krisen seit 30 Jahren zusammen leben und vor einer neuen Herausforderung stehen: Margaret hat Krebs und bereitet sich auf ihren Tod vor, indem sie sich nach und nach von allen Freunden und Familienmitgliedern verabschiedet. Dabei ist Enrique stets an ihrer Seite, plant die Besuchszeiten und wacht darüber, dass niemand seiner Frau mehr Energie abverlangt, als sie in ihrem Zustand hat. Gleichzeitig quält ihn die Frage, ob er ihr ein guter Ehemann war – seine Unruhe fällt ihm ein, seine Unsicherheit, seine schroffe und manchmal arrogante Art. Nach all den Jahren, in denen er ihr oft ihre Lebensart übel genommen hat, fühlt er sich als derjenige, der schwerer zu ertragen war. Er ist dankbar, dass sie ihn immer wieder mit ihrer optimistischen Art mitgerissen hat und häufig ein Kontrapunkt zu seiner Wahrnehmung und Gefühlswelt war. Angesichts des Todes und der wenigen Tage, die ihm noch bleiben, fragt er sich, wie er ihr zeigen kann, dass er sie geliebt hat und heute noch liebt. Trotz allem. Und mehr, als ihm im Alltag bewusst war. Weiß sie es auch?

Dieser Roman kommt ohne Romantik und, trotz des nahen Todes, ohne Rührseligkeit aus.
Sehr sachlich und mit einem guten Auge gerade für die weniger angenehmen Seiten der Menschen beschreibt der Autor ein Paar und ihr Leben. Dadurch lernt man die Protagonisten gut kennen, erlebt aber keinen hollywood-ähnlichen Gefühlsrausch wie bei anderen Liebesromanen. Sowohl die Sehnsucht nach einer scheinbar unerreichbaren Frau als auch das kleinliche Gegnaddel zwischen Eheleuten werden sehr realistisch dargestellt – wirklich nahe kommt man den beiden aber erst in den Szenen, in der Margaret ihren Tod vorbereitet und Enrique tapfer, aber hilflos versucht, sie dabei zu unterstützen. Teilweise stört der Wechsel zwischen den Rückblenden und der Gegenwart, und dass der Erzählstrang der Vergangenheit so intensiv um den ersten Sex der beiden kreist strapaziert die Geduld der Leserin/ des Lesers.
Trotzdem empfehle ich diesen Roman – und zwar sehr ausdrücklich beiden Geschlechtern.
Durch den männlichen Erzähler und die autobiografischen Anklänge finden sich Männer in ihrem Blick auf das Leben wieder, auch wenn es sich auf den ersten Blick nicht wie ein „Männerthema“ anhört. Frauen empfehle ich dieses Buch, weil es beweist, dass Liebesgeschichten auch jenseits des Schnulzen-Genres erzählt werden können.


Rafael Yglesias, „Glückliche Ehe“, erschienen im Klett-Cotta Verlag im Februar 2010, gebunden

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