aufmerksam, glaubhaft

Sie sind das Highlight meines Tages!

Neulich ist mir etwas wirklich, wirklich Unangenehmes passiert:
Während ich im Mai ein paar Tage frei hatte (ursprünglich, um mein zweites Buch an die Verlage zu bringen), meldete sich eine potentielle Ehrenamtliche in der Residenz und bat um Kontaktaufnahme. Als ich nach einer Woche wieder da war, kämpfte ich mich erstmal durch das Papierchaos auf meinem Schreibtisch und bündelte es thematisch.
Als ich alles durchgelesen, das Meiste entsorgt und den Rest abgelegt hatte, kümmerte ich mich um meine Veranstaltungen und wollte dann die Ehrenamtliche zurückrufen.
Problem: Ich fand das Kontaktformular nicht mehr. Zuerst suchte ich den ganzen Schreibtisch ab, dann bat ich die Rezeptionistin, sich genauer an die Person zu erinnern und zum Schluss fragte ich beim Ehrenamtsfrühstück, ob jemand aus dem Kreis die Dame kennen würde. Niederlage auf ganzer Linie, ich schämte mich wochenlang für diese Unachtsamkeit. Währenddessen tätschelten mir die anderen Ehrenamtlichen die Schulter und erklärten, sie würde sich schon wieder melden. Danke, dennoch: Freundliche und zuverlässige Ehrenamtliche sind mit Gold kaum aufzuwiegen, mein Frust war groß.

Bis ich gestern in einem völlig anderen Zusammenhang plötzlich wieder auf das Kontaktformular stieß und sofort die Dame anrief. Beim dritten Versuch erwischte ich sie, entschuldigte mich achtzig Mal für meinen Fehler und dankte ihr drei Mal für Ihr Interesse. Wir verabredeten uns für heute zum Kennlerngespräch, und ich lud sie vorab zum „Lachen am Morgen“ ein.
Sie kam zwar doch nicht zum Lachtreffen, aber pünktlich zum Gespräch und erzählte gleich eine Menge aus ihrem Leben. Unter anderem, dass sie sich sehr auf unsere Verabredung heute gefreut habe, weil sie mich am Telefon so fröhlich und warmherzig fand und „es das Highlight ihres Tages war“.

Und die Moral von der Geschicht: Sei nett mit deinen Gesprächspartnern, und seien es Fremde und das Gespräch von dir aus nur Routine. Du weißt nie, ob du nicht versehentlich „das Highlight dieses Tages“ bist! Wär doch schade, diese Chance zu versäumen…

aufmerksam, glaubhaft

Welken Blumen und falschen Worten zum Trotz: Wenn Gott zu uns spricht

Beim „Malen mit Gebet“ erlebten wir gleich am Anfang, wie Gott wirkt:
Die Organisatorin des Treffens bringt sonst immer Blumen mit, ob nun einfach als Deko oder als Motiv zum Malen. An diesem Samstag hatte sie noch nicht einmal etwas zum Frühstücken im Haus, daher war klar, dass Blumen gerade völlig nachrangig sind.
Vor Ort fanden wir dann auf dem Flügel einen sieben Tage alten Tulpenstrauß. Er sah entsprechend entblättert aus, trotzdem rettete ich einige Exemplare und trug sie zu meinem Maltisch. Nicht nur ich hielt die zerbrechliche Schönheit der verwelkenden Tulpen fest, auch die anderen Künstlerinnen malten die Reste der Blumen. Jede auf ganz eigene Weise. Dass wir alle mit dem gleichen Motiv in den Maltag starten, ist noch nie mit frischen Blumen passiert. Und Gottes Botschaft, die wir im Austausch miteinander darin entdeckten: „Kümmert euch nicht um Kleinigkeiten und sorgt euch nicht darum, ob etwas fehlt. Ihr werdet von allem genug haben!“

Ich bin wahnsinnig schlecht darin, die Bibel korrekt zu zitieren. Meistens fange ich an mit: „Also, ich kenne einen wunderschönen Vers, der steht irgendwo…. in Jeremia. Oder Jesaja.“ Meistens kann ich dann zumindest den Vers korrekt auswendig, aber wie mir angesichts meines Bild von den verwelkten Tulpen aufging: Manchmal vertüdel ich sogar in sehr kurzen Sätzen wichtige Worte. Naja.
Wie ich heute, als ich den Blogartikel schreibe, feststelle: Es heißt nicht „Mein Wort ist in den Schwachen mächtig“ sondern „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“. Ähem. So oder so stammt es aus dem zweiten Brief an die Korinther in Kapitel 12, Vers 9.
Aber auch, wenn ich mir selbst simple Verse nicht akkurat merken kann, vertraue ich darauf: „Sein (Gottes) Wort ist die Kraft, die das Weltall zusammenhält.“ (Brief an die Herbräer, Kapitel 1, Vers 3)

Der Hintergrund meines Bildes, mit Buntstiften und Tusche angefertigt, stammt hierher.

aufmerksam, glaubhaft

Lachen und Weinen liegen im Arbeitsalltag eng beieinander…

Zwischen Lachen und Weinen: So schwankte ich als Logopädin mit „meinen“ Kindern oft im Laufe einer Arbeitswoche.
Aber auch die SeniorInnen sind MeisterInnen darin, mich an den Rand des Wahnsinns und wieder zurück zu treiben. Mir ist sehr wichtig, meine wöchentlichen Veranstaltungen abwechslungsreich und spannend zu gestalten. Ich langweile mich sehr schnell, daher fällt es mir im Traum nicht ein, bestimmte Erfolgsrezepte zu wiederholen, bis sie „abgenudelt“ sind. Glücklicherweise ist mein Hirn springlebendig, und ich habe bereits bis in den März bestimmte Highlights im Veranstaltungskalender geplant. Okay, es sind eher Experimente, aber dank meines Gespürs werden Experimente oft zu Höhepunkten.
So auch die „Philosophischen Nachmittage“, die ich in größeren Abständen immer mal wieder anbiete: Zum Thema „Glück“ oder „Dankbarkeit“ oder auch „Was ist eigentlich Kunst?“ Diese Woche hatte ich, passend zum Jahresanfang, das Motto „Anfänge und Neuanfänge“ bzw. „Abschiede und Anfänge“ geplant. In meinen Augen ein lebenslang spannendes Thema. Wie immer hatte ich Zitate weiser Menschen heraus gesucht, kurze Vorlesetexte vorbereitet, Fragen und Mitmach-Impulse geplant und drei nachdenkliche Lieder zum Vorspielen ausgesucht.


Die ersten Besucherinnen kamen bereits, während der Haustechniker erst begann, die Tische und Stühle zu stellen. Nachdem ich seinen Kollegen bereits gefragt hatte, wann er denn plane, mal den Raum vorzubereiten, schließlich kämen in sieben Minuten garantiert die Ersten… Dann dirigierte ich die Damen auf extra Stühle, die ich am Rand aufstellte, damit sie nicht in seliger Ahnungslosigkeit mitten im Raum die Aufbauarbeiten behindern.
Die Kopien holen, große Tischdecken besorgen, meine Deko aus dem Büro tragen, noch mal lüften, nach dem Kaffeewagen schauen, weitere Damen auf Plätze am Rand des Schlachtfelds um den Haustechniker lotsen, die Musikanlage aufbauen, … Zwanzig Minuten vor Beginn der Veranstaltung war mir, wie immer, bereits sehr warm.
Und dann ging es los: Die Begrüßung lief noch rund, dann zickte die CD zum ersten Lied, das als Einstimmung dienen sollte. Ich wählte Lied Nummer zwei, da ich unmöglich ein Lied ankündigen und dann nichts hören lassen kann. Auch, wenn es thematisch nicht ganz passt…. Der ausgeteilte Fragebogen zum Nachdenken traf auf Skepsis, eine besonders bockige Dame machte ihrer Unmut bereits Luft. Die erste Geschichte rührte alle an, manche begannen einen zarten Applaus. Meine Moderation als Anregung zum Austausch stachelte die widerspenstige Dame zu bissigen Bemerkungen an, es entstand Unruhe. Ich leitete zum nächsten Programmpunkt über, die Unruhe hielt sich. Dann wollte ich zwei Seiten als 17 Kopien austeilen, aber der Kopierer hatte von beiden Blättern nur die Hälfte kopiert. Ich erklärte, dass der Text nur zum Mitlesen des nächsten Lieds gedacht sei, weil der Sänger manchmal nuschle und doch auch die höreingeschränkten Anwesenden alles verstehen sollen. Daher bat ich alle, zu zweit ein Blatt zum Mitlesen zu benutzen. Ich gab ganz gerecht jeweils zwei Sitznachbarinnen eine gemeinsame Kopie. Es gab einen Tumult, weil die spezielle Dame mit ihrem Mann auf den Zettel schauen wollte, nicht mit ihrer Nachbarin. Damit erhielten aber drei Damen über Eck gar kein Blatt, was schlichtweg unmöglich ist. Entweder schaute sie mit ihrer Nachbarin auf´s Blatt, oder sie wartete ab und ließ sich nach dem Lied die Kopie ihres Mannes geben, der es wiederum mit der Dame eine Reihe weiter teilte. Das war doch machbar?!
Die Situation eskalierte weiter.
Wir hörten das Lied an. Eine Dame meinte: „Schon ganz schön düster, dieser Text…“ Kurz darauf fragte sie, noch im Verklingen der letzten Töne, ob sie das Liedblatt mit nach Hause nehmen könne. Andere waren bewegt, manche hatten Tränen in den Augen. Ich teilte ein Arbeitsblatt aus und sagte, dass wir dabei einen Moment unseren eigenen Gedanken nachhängen können. Niemand musste etwas notieren, aber wer mochte, konnte dazu das Blatt nutzen. Die bestimmte Dame brach eine Diskussion vom Zaun, warum ich mit der Runde derartige Lebensfragen erörterte, wo ich doch wesentlich jünger bin und schlichtweg keine Ahnung von gar nichts habe?
Inzwischen war mein Kopf knallrot und ich zog ernsthaft in Erwägung, die Dame wahlweise zum Schweigen oder Verlassen des Raums aufzufordern. Ich führte die Veranstaltung professionell zu Ende durch, ließ einen Teil weg, und fand Abschiedsworte, die diese turbulente Stunde möglichst friedlich beendeten.
Eine Dame kam vorbei, während sich viele von mir verabschieden wollten und andere die Kaffeetassen einsammelten, und meinte: „Hoffentlich haben wie Sie heute nicht zu sehr aufgeregt…“

Tags darauf:
Ich besuchte eine Dame. Sie: „Marie, Sie hatten gestern soooo einen roten Kopf, ich dachte, Sie platzen gleich! Aber die Frau HFRZHJL auch immer…. schrecklich, dieses Benehmen! Und dann müssen Sie sie im Anschluss ja auch noch in der Englisch-Stunde ertragen!
Schauen Sie mal, ich habe hier so einen komischen Sss-näck. Der ist wie Chips, mit Kartoffeln, aber er schmeckt so… seltsam. Ich wollte gestern so gemütlich abends…. also…. (sie schaute mich scharf an und flüsterte) mit einem Schluck Wein…. nur EIN Schluck!!!… wollte ich es mir so gemütlich machen. Aber bäh, dieser Ssnäck…. ich bring Ihnen das mal!“ Schon zischte sie in die Küche, ich hinterher. Bedienen lasse ich mich von alten Damen nicht!
„Hier, Marie, ich habe Ihnen wieder alle Zettelchen vom Teebeutel aufbewahrt, mit den Sprüchen… die können Sie doch so gut gebrauchen?! Mit den schlauen Sprüchen, Sie haben doch für uns immer so weise Sprüche vorbereitet… Ist das albern, Marie? Ich mach das doch extra für Sie…“ Ich bestätigte, dass ich mich sehr über ihre treue Sammlung an abgerissenen Teebeutel-Zettelchen freute. Wirklich.
„Marie, Sie müssen mal dieses Zeugs probieren. Den Ssnäck. Hier.“ Sie hielt mir die Packung hin. Ich überlegte, ob ich wie immer ablehnte, weil ich ja gerade Mittag gegessen hatte. Was die reine Wahrheit war. Andererseits weiß ich genau, wie es um die Hygiene der Dame bestellt ist, daher lehne ich ihre Lebensmittel stets ab. Dieses Mal konnte ich mich wohl nicht retten…
„Frau lLGRV, das Produkt hat corn im Namen, das heißt Mais auf englisch.“ „Das kann ich doch nicht ahnen.“ „Ich meine, deswegen schmeckt es vielleicht anders, als Sie erwartet haben. Schauen Sie, hier ist noch so ein Bild im Kreis, da steht aus sonnenverwöhntem Mais, handverlesen und gestreichelt.“ „Ja ja, ich muss eben besser hingucken, aber ich wollte doch Geld sparen, das war im Angebot. Jetzt müssen Sie das auch essen!“
Ich fischte todesmutig ein seltsam geformtes Maisdings aus der fast leeren Tüte und steckte es mir in den Mund. Sie klammerte sich an meinen Arm: „Und ist es sehr schlimm? Sie können es auch ausspucken! Spucken Sie es in den Ausguss! MARIE! Los! Oder schnell ins Klo! Schnell!!!“ Sie drückte heftig und voller Sorge um mein Wohlergehen meinen Oberarm. Ich war etwas irritiert: Erst sollte ich es unbedingt probieren, aber kaum, dass ich es im Mund hatte, schnellstmöglich ausspucken? Ich winkte ab und meinte, so schlimm sei es doch gar nicht.

Was soll ich sagen: Weinen und Lachen liegen hier oft sehr eng beieinander….

aufmerksam, Gäste & Feste

Fruchtiges Frühstück


Ein fröhlich-fruchtiges Frühstück stärkt uns für den Tag.
Mit einem blumigen Gruß auf der Serviette und maritimen Streifen fühlt sich die sommerliche Dauerhitze einen Moment lang erträglich an.

Heimisches Obst vom Markt esse ich gerne gleich morgens:
Egal, welcher Appetit mich im Lauf des Tages überfällt, die erste Portion Vitamine habe ich damit schon intus.
Da auch Bio-Joghurt voller Aromen und Zucker ist, esse ich mein Müsli am liebsten mit Naturjoghurt und peppe es mit Früchten auf. Oder ich rühre einen Klacks Marmelade hinein, das ist zwar auch süß, aber ohne künstliche Zutaten.

Verlinkt mit CreaDienstag, DienstagsDinge, HoT.

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Frauenrecht ist Menschenrecht

Was ist nur mit dieser Welt los?

Ich dachte, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Auch die der Frau. Immerhin bilden Frauen keine vernachlässigbare Minderheit von 7,3%, sondern die Hälfte der Bevölkerung.
Warum brauchen wir heute noch Frauenhäuser?
Warum leben weiterhin so viele Männer in dem Glauben, sich nehmen zu können was sie wollen und schlagen zu dürfen, wen sie wollen?

Ich dachte, wir seien uns einig, dass sexuelle Handlungen einvernehmlich stattfinden. Und nur einvernehmlich. Zumindest in der westlichen Welt nahm ich an, soweit seien wir nach Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte endlich gekommen. Wenn ich erlebe, welch hysterische Aufruhr „Nein heißt nein“ nach sich zog und Männer plötzlich behaupteten, dass ihre niederträchtigen Ehefrauen sie nach einer lustigen Runde im Bett auf einmal anzeigen könnten, weil sie es am Tag danach vielleicht doch nicht gewollt haben – wie krank ist das? Darum geht es doch nicht! Niemand behauptet, dass jeder Mann ein Formblatt ausfüllen muss, um sicher zu sein, dass seine Partnerin den nachfolgenden Handlungen zustimmt!
Dass Frauen weder Haustiere noch Spielzeuge sind, scheint bis heute nicht in männliche Köpfe zu passen. Dass allein ihre körperliche Stärke eine reale Gefahr ist und Frauen von dieser Gefahr täglich begleitet werden, das ist Fakt. Dass Männer bis heute gesellschaftlich höher gestellt sind und Frauen effektiv drohen können, dass ihnen Nachteile entstehen, wenn sie nicht mitmachen, hat uns „Me too“drastisch gezeigt. Dass plötzlich eine unermessliche Welle von Vergewaltigungsanzeigen über Deutschland hereinbricht, nur weil Frauen sich verweigern, ist Mumpitz. Dass es vielen Frauen bis heute nicht hilft, sich zu verweigern, weil sie dann eben gegen ihren Willen benutzt werden, ist eine bittere Wahrheit. Und dass die wenigsten Taten angezeigt werden, weil sie im direkten Umfeld der Frauen stattfinden und die Frauen die Konsequenzen einer Anzeige fürchten, bleibt trauriger Alltag.

Ich dachte, wir seien uns einig, dass Frauen über ihren Körper selbst bestimmen. Völlig egal, ob sie vor dem Schwanger-werden-können verhüten oder danach abtreiben. Schlimm genug, dass es immer noch die Frauen sind, die sich allein mit dem Thema Schwanger-werden-können herum schlagen und die Pharmalobby beschlossen hat, dass sie männliche Verhütungsmittel weder erforschen noch vertreiben, weil es für die Männer mit Nebenwirkungen verbunden ist (die die Frauen seit 60 Jahren in Kauf nehmen).
Schlimm genug, dass es überall in Deutschland Zwangsprostitution gibt.
Schlimm genug, dass es Babyklappen gibt, weil Frauen ungewollt Mütter werden.
Schlimm genug, dass es bis heute Frauen gibt, die ihre Babys heimlich allein gebären.
Schlimm genug, dass die Nachfrage nach anonymen Geburten groß ist und es dazu bis heute in Deutschland keine geklärte Rechtslage gibt.
Aber wie gut, dass wir Babyklappen haben und dass es Vereine gibt, die Frauen beraten und zur anonymen Geburt sowie danach begleiten.
Inwiefern wäre die Welt besser, dürften Frauen nicht mehr abtreiben und würden wieder in den Hinterzimmern von Engelmacherinnen verrecken? Dürften Ärzte keine Abtreibung mehr anbieten? Dürften Beratungsstellen keine Adressen zu entsprechenden Kliniken weitergeben (was viele von ihnen sowieso nicht tun, da sie parteiisch sind oder sich gar nicht für gute Behandlungen interessieren)?
Frauen werden ungewollt schwanger, und dabei liegt die Verantwortung zu 50% bei ihnen. Die anderen 50% der Verantwortung liegen bei den Männern, die ihre Frauen mit den Folgen im Stich lassen. Oder zur Abtreibung drängen, was auch keine faire Lösung ist.

Ich dachte, wir seien uns einig, dass Frauen ein Recht darauf haben, als Frauen angesprochen zu werden. Wir bilden die Hälfte der Weltbevölkerung. Wir fühlen uns bei männlichen Titeln und Anreden nicht mitgemeint. Denn die männliche Anrede ist nicht die menschliche generell. Als Kunde, Patient und Student werden Männer angeredet, nicht Frauen. Ganz offensichtlich. Denn Frauen sind Kundin, Patientin und Studentin. Das ist keine Korinthenkackerei, sondern ein Grundrecht auf die eigene Identität. Denn männlich ist nicht gleich menschlich, und damit dann im Nachklapp auch weiblich. Männlich ist männlich, und weiblich ist weiblich. Die Hälfte der Bevölkerung hat keine Lust mehr, jedes Mal zu rätseln, ob sie „mitgemeint sind“ oder sich als solches zu identifizieren.

Ich dachte, es sei logisch, dass arbeitende Frauen den gleichen Lohn bei gleicher Tätigkeit verdienen wie Männer. Nicht 20% weniger. Bei gleichzeitiger Mehrfachbelastung durch Kinder oder zu pflegende Angehörige. Während diverse Wirtschaftszweige Frauen konsequent mehr Geld für das gleiche Produkt wie die Männer bezahlen lassen: Vom Haarschnitt bis zum Rasierer.

Von weiblicher Beschneidung, Mädchensklavinnen und Zwangsehen habe ich noch gar nicht angefangen. Bisher spreche ich hier nur von den „Wohlstandsproblemen“ der westlichen Welt. Von denen wir meinten, sie seien tatsächlich Lappalien, soweit, wie die Entwicklung der letzten hundert Jahre uns gebracht hat.

Ich habe mich geirrt.
Ich hoffe und bete inständig, dass die Menschen dieser Welt Vernunft annehmen.
Dass Frauen weiter kämpfen. Kämpfen, ohne müde zu werden.
Und dass Männer endlich ihre Ohren, Intellekte und Herzen öffnen.

aufmerksam

SeniorInnen und ihre Wortwahl verstehen – Hamburger Mundart übersetzt

Als Hamboorger Deern habe ich viele der Ausdrücke, die ich kenne und gebrauche, lange für „normal“ gehalten. So lange, bis jemand Anderes sie nicht kannte oder nicht verstand. So wie neulich bei einem Seminar, wo die Dozentin beim gemeinsamen Mittagessen den Begriff „begöschen“ nicht kannte. Daher für alle Zugezogenen ein kleiner Überblick über Begriffe aus dem Missingschen und dem Plattdeutschen. Wer mit älteren Menschen arbeitet und zugezogen ist, versteht durch die Beispiele sicherlich mehr. Viel Spaß!
Als kleine Bemerkung vorab: Die Hamburger Arbeiter kannten keinen Dativ, den Genitiv erst recht nicht, daher wird konsequent (auch in meinen Beispielen) der Akkusativ benutzt.

An und für sich: „Das is ja an un für sich kein Problem, aber schwierig wird es dann, wenn…….“ An un für sich meint „generell, normalerweise“

abbeldwatsch: „Wenn der läuft, neee, der is so appeldwatsch!“ Abbeldwatsch meint „tollpatschig, ungelenkig, albern“

backsig: „Jetzt ma vorsichtig, der Tisch is ganz backsig!“ Backsig meint „klebrig“

Bangbüx: „Wat isse doch für ´ne Bangbüx!“ Bangbüx meint „Angsthase“

bannig: „Da is aber bannig wat los“ Bannig meint „viel“

begöschen: „Den muss man aba auch Tach un Nacht begöschen.“ Begöschen (mit langem öö) meint „umsorgen, kümmern, hegen und pflegen“

betüdeln: siehe begöschen

Da nich für: „Dankeschön!“ „Ach was, da nich für.“ Hamburgerinnen haben es generell nicht so mit großen Gesten, ein Dank wird abgetan mit „Da nich für“

fünsch: „Hör sofort auf damit! Du machs mich noch ganz fünsch!“ Fünsch (mit langem üü gesprochen) meint „ärgerlich, wütend, aufgebracht“

Hool di fuchtig! Als ich den Spruch das erste Mal hörte, dachte ich, ich hätte etwas falsch gemacht und würde beschimpft. Aber nein, „Hool di fuchtig“ meint „Bleib gesund!“ Und das ähnlich Klingende „Hool di stief“ meint „Halt durch!“

kieken: „Na, denn lass mich ma kieken.“ Kieken meint „gucken“

krüsch (mit langem üü): „Krüsche Kinder haben´s schwer.“ Krüsch meint „mäkelig, schwierige Esser, anspruchsvoll in der Ernährung“

maddelig: „Och nee, ich fühl mich heut wieder sooo maddelig“ Maddelig meint „müde, abgeschlangen, krank“

mittenmang: „Mittenmang in Hamborch“ Mittenmang meint „mittendrin“

N´beeten scheef hat Gott leef: Ein Satz, um sich oder andere zu trösten, wenn etwas nicht so gelingt wie es soll: „Ein bißchen schief hat Gott lieb.“

Nee, lass man: „Nee, lass man, ich geh lieber nach Hause.“ Freundlich gemeinte, saloppe Ablehnung eines Angebots oder einer Unternehmung

Pamps oder Papps: „Dat ist doch kein Mittachessen, dieser Pamps!“ Pamps meint „Brei“

Pappenheimer: „Wo stecken meine Pappenheimer?“ Scherzhaft für Menschen, die oft etwas Aushecken.

pesen: „Da is sie aber ab gepeest!“ Pesen meint „rennen, schnell fahren“. In Mecklenburg-Vorpommern auch „peern“ oder „peddern“ genannt

pimpelig: siehe „krüsch“

Puschen oder Pampuschen: „Och nee! Da wollde ich doch glatt inne Puschen aus´n Haus gehn!“ Puschen sind Hausschuhe. „Komm mal in die Puschen!“ meint: Beeil dich!

rammdösig: „Wenne zu lange inne Sonne liegst, wirst du davon ganz rammdösig.“ Rammdösig meint „schläfrig, abgeschlagen, matt“

Rotz um die Backen schmieren: Neulich drückte eine sehr gepflegte Dame mir gegenüber aus, wie froh sie über meinen Einsatz sei und wie gern sie mich habe. Kurz darauf hängte sie an, dass sie mir ja „Keinen Rotz um die Backen schmieren“ müsse, schließlich sei sie nicht verpflichtet, mich zu loben. Sie meine es aus ganzem Herzen ehrlich! Rotz um die Backen schmieren ist das Äquivalent zu „Honig ums Maul schmieren“

rum aasen: „Du soll´s mit den Zuckerguss nich so rum aasen!“ Rum aasen oder aasen meint „verschwenden, vergeuden, zu üppig einsetzen“

schedderig: „Nee, min Deern, mit die Hose kanns aber nich zun Arbeiten gehn! Die is doch schedderig!“ Schedderig meint „dreckig, ungepflegt, abgewetzt“

Schinken klopfen: Ich kroch eines Montags auf den Knien halb unter, halb hinter der Leinwand herum, um den Beamer in die Steckdose zu stecken. Daraufhin schlug eine Dame angesichts meines halb verschwundenen Rückens vor, eine Runde „Schinken klopfen“ (Po verhauen) mit mir zu spielen.

Schmöök: „Na Fiete, has noch ´n Schmöök für mich?“ Schmöök ist eine Zigarette oder Zigarillo, generell etwas zum Rauchen

schnoopen: „Ich hab gaar nix mehr zun Schnoopen da.“ Schnoopen meint „naschen“, Schnoopkram sind Süßigkeiten

tüdelig: „Nee, was bin ich heude wieder tüddelig!“ Tüddelig meint „vergesslich, unkonzentriert“

 

Atemfreude, aufmerksam

„Frau Krüerke, uns ist das Baby runtergefallen!“

Manche Tage habe es so richtig in sich: Noch bevor ich die Lobby durchquert und meine Chipkarte aufgeladen habe beginnen Dramen, Missverständnisse, Klagen, sinnlose Diskussionen und Beschwerden, ganz abgesehen von wildfremden Leuten, die plötzlich fälschlich im Büro stehen… Nichts davon hat mit mir zu tun, aber alles dringt in meine Ohren oder landet auf meinem Schreibtisch. Ich gebe mein Bestes, fange alles auf, biege alles glatt, halte meine Versprechen und Termine und bete am Ende des Tages um ein paar Meter frische Nerven. Für jetzt gleich. Und für morgen auch, bitte.
Manchmal habe ich Glück und einer dieser Tage ist gleichzeitig ein Tag, an dem meine „Atemfreude“ stattfindet. Das ist zwar auch stressig, weil innerhalb von drei Minuten der Stuhlkreis im gerade erst freigewordenen Saal stehen und das „Bühnenbild“ in dessen Mitte aufgebaut sein muss. Aber sobald die Letzten eingetrudelt sind und wir ein drittes Mal den Kreis erweitert haben, wird es meist sehr fröhlich. Diese Woche haben wir eine imaginäre Zugfahrt unternommen.
Hier die schönsten Beiträge meiner 26 TeilnehmerInnen:
„Wir können noch nicht losfahren, der Rollator steht noch auf dem Bahnsteig!“
Ich: „Gut, wir steigen mit einem groooßen Schritt aus, greifen hinter uns und wuchten den Rollator in den Zug. Mit einem laangen Schritt den Abstand zwischen Bahnsteig und Waggon überbrücken, die Treppenstufe hoch und den Rollator im Zug an den Rand schieben. Wir sehen hinter uns, dass dort eine junge Mutter mit ihrem Baby im Kinderwagen steht, ganz allein. Also gut, noch mal mit laaangen Beinen runter auf den Bahnsteig, den Kinderwagen packen, und mit einem groooßen Schritt in den Zug. Sind jetzt alle da? Dann können wir ja los.“
„Frau Krüerke, das Baby ist runtergefallen!“ (was ältere Herren für rabiate Fantasien haben…)
„Okay, schnell rausspringen, tiiief runterbeugen, das Baby schnappen, hoooch zur Mutter strecken und rein in die Bahn!“ Alle beugen und strecken sich, nehmen schnatternd Platz und warten gespannt auf den Beginn der Reise.
„Und wann kriegen wir das Proviant?“ (Nur, weil es letztes Mal Franzbrötchen für alle zum „Kausummen“ gab, heißt das nicht, dass mein Rucksack im Bühnenbild etwas Leckeres enthält…)
Eine Weile darf ich ungestört moderieren und die SeniorInnen durch die gedankliche Zugfahrt leiten. Nachdem wir eine Partnerübungen unter heftigem Rattern des Zugs hinter uns gebracht und lautstark alle Geräusche ausprobiert haben, die ein Zug fabrizieren kann, leite ich zu einer Gedankenreise über. Das hatte ich noch nie versucht, da ich genau weiß, welche Blicke mich dann durchbohren. Heute wagte ich es, weil es thematisch wunderbar passte, und vertraute auf das Wohlwollen der Teilnehmenden. Die Idee stammt aus dem Buch Stimme, Sprache, Lebensfreude” von Ulrike Pramendorfer, der Inhalt von mir. Ich bat alle, sich gemütlich zurückzulehnen und die Augen zu schließen:

Unsere Augen lächeln über das fantastische Panorama. (Stille) Draußen zieht eine Landschaft vorbei, die wir genießen. (Stille) Unsere Augen lächeln über die Schönheit der Natur. (Stille) Auch durch interessante Orte und Städte fahren wir und betrachten sie mit lächelnden Augen. (Stille)
Unsere Ohren lächeln über das gleichmäßige Rattern. (Stille) Das Rattern ist genau so laut, dass wir es hören können und angenehm finden. (Stille) Unsere Ohren lächeln über das einschläfernde Rattern. (Stille)
Unsere Nase lächelt über den Kaffeeduft im Abteil. (Stille) Oder der Duft von frischem Tee zieht zu uns herüber. (Stille) Oder wir lächeln mit der Nase, weil frische Waffel gebacken werden. (Stille)
Unser Mund lächelt über die leckeren Kekse und Salzbrezeln, die unser Proviant sind. (Stille) Oder wir genehmigen uns ein Stück Sahnetorte. (Stille) Aus ganzem Herzen lächelt unser Mund über den Genuss. (Stille)
Unser Rücken lächelt über das gemütliche Polster. (Stille) Wir lassen uns entspannt nach hinten sinken. (Stille) Unser Rücken lehnt sich an und lächelt über den Halt, den er findet. (Stille) Und auch nach unten lassen wir uns ganz tief in den Sitz sinken. (Stille) Wir geben unser Gewicht in das weiche Polster ab und unser Rücken lächelt über die Entlastung. (Stille)
Unsere Beine lächeln über die Entspannung. (Stille) Unsere Füße lassen los. (Stille) Wir lassen uns von dem Zug fahren und die Beine lächeln über die Pause. (Stille)
Unsere Arme lächeln über die bequemen Armlehnen. (Stille) Wir lassen sie im Schoß ruhen. (Stille) Unsere Arme lächeln, weil sie sich ausruhen dürfen. (Stille)
(Stille wirken lassen)
Und so ist unser Körper ein einziges, großes Lächeln.
(Stille)
Langsam rollt der Zug in einen Bahnhof und kommt zum Stehen. Wir kommen wieder im Raum an und öffnen langsam die Augen.

Zu Beginn mochten einige TeilnehmerInnen die Augen nicht schließen. Manche machten sie schnell zu, wenn ich in ihre Richtung schaute, in der Hoffnung, ich würde es nicht merken. Einige wirkten sehr skeptisch, aber zum Glück viel weniger, als befürchtet. Während der Gedankenreise kamen auch die zur Ruhe, die zu Beginn noch ablehnend wirkten. Und auch von denen, die die Augen offen ließen, gab es immer weniger. Am Ende der Moderation blieben ca. 30% der Anwesenden mit seligem Lächeln und völlig schlaffen Gliedern auf ihrem Stuhl und machten keinerlei Anstalten, die Augen zu öffnen. Während die Ersten böse auf die „Schlaffis“ schauten, moderierte ich weiter, um das Ende noch etwas deutlicher zu machen: „Der Zug rollt in einen Bahnhof und kommt langsam zum Stehen. Wir öffnen die Augen und kommen wieder im Raum an.“ Eine Dame, ganz abwesend und beglückt: „Mein Zug fährt immer weiter und ich mit!“ und blieb komplett entspannt mit geschlossenen Augen auf ihrem Stuhl hängen. Fantastisch! Mit einem so durchschlagenden Erfolg einer sonst so verhassten Aufgabe habe ich nicht gerechnet!
Auch die obskure Aufgabe, mit der Nasenspitze fünf Ortsnamen zu schreiben, die wir auf der Zugfahrt passieren, machten erstaunlicher Weise alle mit. JedeR war gedanklich unterwegs auf einer Strecke, die sie früher gern gefahren sind, und lockerten durch die Kopfbewegungen indirekt sehr effektiv die Nackenmuskulatur.
„Frau Krüerke, was schreiben Sie denn?“
Ich war noch damit beschäftigt, den Blick durch die Runde schweifen zu lassen, um zu schauen, ob alle zurecht kamen. „Äh, Olso.“
„Ja ja, das ist auch ein besonders kurzes Wort, ne?!“
„Aber als nächstes schreibe ich Stockholm, das ist schon viel länger!“ Ich hätte nie gedacht, dass sich SeniorInnen wie Jugendliche mit mir kabbeln…
Sogar die Übung der „heißen Kartoffel“ bei unserem Besuch im Bordrestaurant wurde mit hängendem Kiefer und wilden Grimassen ganz ohne die üblichen Schamgefühle absolviert. Natürlich hagelte es Kommentare wie „Können wir nicht ausspucken?“ und „Haben wir keine Gabel, um sie wieder rauszuholen?“, aber niemand zweifelte am Sinn, eine imaginäre heiße Kartoffel im Mund zu balancieren. Spaß gehabt und Kiefer gelockert, was will man mehr!

Nach fröhlichen Liedern und kräftigem Applaus brachen wir wieder in den Alltag auf.
Bis ich zweieinhalb Stunden später während der zweiten Schicht des Mittagessens im Wintergarten darauf angesprochen wurde, dass wir immer noch nicht den Zug verlassen haben. Schließlich hatte ich nur gesagt, dass wir gedanklich in den Gymnastiksaal zurückkehren. Von aussteigen hatte ich nichts gesagt! Ich entschuldigte mich formvollendet für diesen faux pas und bestätigte, dass sich der Herr immer noch auf Reisen befindet. Er amüsierte sich königlich…

aufmerksam, glaubhaft

Aufgetaucht

Im Urlaub hatten wir das große Glück, gleich am ersten Tag Delfine beobachten zu können. Wir waren grade oben auf den Felsen angekommen, da entdeckte mein Mann sie zufällig.
Jedes Mal, wenn ich in den folgenden Tagen am Meer war, hielt ich nach ihnen Ausschau. Ein weiteres Mal hatte ich Glück, ein Pärchen in unruhigen Wellen entdecken zu können. Als wir mit dem Rad an der „Heimatbucht“ der Delfine entlang fuhren, sahen wir leider keine. Dennoch hoffte ich jedes Mal auf’s Neue, sie noch einmal beobachten zu können.
Das ließ mich an Bibelstellen denken, in denen die betende Person beschreibt, wie sie sich auf Gott ausrichtet und ihn erwartet:
„Bei Nacht sind meine Gedanken bei dir, voller Sehnsucht suche ich dich.“ Jesaja 26, Vers 9
Wie gut ist es, dir, HERR, zu danken und deinen Namen, du höchster Gott, zu besingen, schon früh am Morgen deine Gnade zu loben und noch in der Nacht deine Treue zu preisen,“ Psalm 92, Verse 2 und 3

Eine große Sehnsucht spricht aus den Worten, ein tiefes Verlangen.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich Gott in meinem Leben bisher nur sehr selten so sehnlichst erwartet habe. Klar, in besonders schwierigen Momenten oder in Krisen ging es mir durchaus ähnlich. Aber dass ich im Alltag Gott mit offenen Armen empfange, nach ihm Ausschau halte, ihn in den Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit stelle? Das passiert leider selten und ich erwarte eher die Rückkehr meines Mannes von einem Abendtermin oder einer Geschäftsreise.
Der Psalm erinnert mich an die Wünsche der jungen Liebenden, die im Hohelied der Bibel dokumentiert sind (Nachts auf meinem Bett sehnte ich mich nach meinem Liebsten. So gern wollte ich bei ihm sein, doch er war nicht da! Hoheslied Kapitel 3, Vers 1). Intensive Sehnsucht ist in meinem Erleben oft mehr mit romantischer Liebe verbunden als mit dem Warten auf Gott. Wobei Gott im Vergleich zu menschlichen Beziehungen die sicherere Alternative ist, schließlich hat er uns bedingungslose Liebe mit der Perspektive Ewigkeit versprochen. Meist sind uns die Beziehungen zu „echten“ Menschen aber wichtiger und lieber als die doch schwer fassbare Beziehung zu Gott. Und so wenig ich mich auf die Loyalität von Menschen verlassen kann, hilft mit der Gedanke an Gottes Loyalität manchmal nur bedingt: Schließlich ist Gott für mich nicht ständig greifbar, nicht in jedem Moment des Lebens gleichermaßen spürbar. Das Wissen im Kopf („Gott ist da“) und das Gefühl im Herz („Gott ist spürbar da“) ist nicht immer deckungsgleich: Manchmal fühlt mein Herz etwas ganz anderes als das, worauf sich der Kopf verlassen will. Jenseits der Emotionen kann ich mich am Wort der Bibel festhalten, aber auch das gelingt meist nur bruchstückhaft.
So wünsche ich mir und uns, dass wir Gottes Nähe öfter als etwas Lohnenswertes begreifen und unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten, statt zu erwarten, dass er schon von allein in unserem Leben auftauchen wird. Die Delfine habe ich schließlich auch aktiv gesucht, statt zu glauben, dass sie in der Ferienwohnung am Frühstückstisch erscheinen.

aufmerksam, feminin, glaubhaft

Ehrgeiz, der: Produktive Unzufriedenheit mit zielgerichteten Träumen

Außergewöhnlich und in Hamburg nur auf einer einzigen Wiese heimisch: Der Bienenkäfer

Schon immer lebe ich mit einer gesunden Portion Ehrgeiz. Mit dem Hintergrund zu verschwimmen oder ein Dasein als fleißige, aber unsichtbare Arbeitsbiene zu verbringen, war nie mein Ziel. Mit viel Energie, ordentlich „Pfeffer im Arsch“ und ständig neuen Ideen gesegnet ist Langeweile für mich ein Fremdwort.
Bereits anderthalb Jahre nach meinem Berufseinstieg als Logopädin war ich völlig angeödet und habe mich mit Mitte zwanzig gefragt, ob das jetzt schon alles gewesen sein soll? Als Logopädin ist einem ein Dasein als Fleißbiene zugedacht, Karrieremöglichkeiten gibt es nicht. So tobte ich mich im Ehrenamt aus, versuchte mit genähten Kreationen ein zweites Standbein aufzubauen und fing in der Praxis mit inoffiziellem Qualitätsmanagement an.
Der Wechsel in eine andere Praxis reichte mir nicht, der Horizont als Logopädin verbunden mit skandalös niedrigem Gehalt war mir einfach zu eng. Nach zwei Jahren der beruflichen Neuorientierung voller Seminare und Projekte bin ich das erste Mal auf einem Arbeitsplatz gelandet, der mit meinem Tempo Schritt hält. Zum Ende meiner Probezeit bin ich grade ins Nachbarbüro umgezogen, um in einen neuen Aufgabenbereich mit mehr Verantwortung eingearbeitet zu werden. Zum ersten Mal in meinem Leben fallen mir Konzepte und Projekte in den Schoß. Bisher musste ich immer darum kämpfen, vorwärts zu kommen und Entwicklungsmöglichkeiten zu nutzen. Auf einmal trägt mein Einsatz Früchte. Plötzlich erlebe ich eine Welle von Erfolg und Anerkennung, über die ich sehr dankbar bin. Und die mir Dimensionen eröffnet, von denen ich bisher nur träumen konnte.

Parallel irritiert es mich immer wieder und immer mehr, wie wenig beruflichen Ehrgeiz viele Freundinnen und Bekannte haben. Die meisten sind mit ihrer Familie völlig ausgelastet, denn der Trend in meinem Umfeld geht gerade zum Viertkind. Bei einigen weiß ich, dass sie deshalb weiter Kinder bekommen, weil sie keinerlei berufliche Perspektiven haben. Alle meine Freundinnen arbeiten im sozialen Bereich – auf das kleine Gehalt bei immenser nervlicher Belastung verzichten logischerweise viele dankend.
Davon unabhängig macht es mich sprachlos, wenn ich vorsichtig nach Träumen und Plänen nach der Kinderzeit frage und „Nichts“ als Antwort erhalte. In meiner Erinnerung hatten alle Freundinnen zu Studien- und Ausbildungszeiten klare berufliche Wünsche. Ich verstehe vollkommen, dass Frauen zwischen Stillen und Einschulung völlig absorbiert von ihrer Mutterschaft sind. Aber danach?

Vielleicht ist mein gesunder Ehrgeiz gar nicht so normal, wie ich immer dachte. Vielleicht ist meine „produktive Unzufriedenheit“ etwas Persönliches und nichts Universelles. Vielleicht sind viele mit dem Status quo zufrieden. Vielleicht brennen nicht alle für ihre Arbeit. Vielleicht brauchen nicht alle ständig neue Pläne und Herausforderungen, um sich lebendig zu fühlen. Und vielleicht entwickeln sich Prioritäten im Leben ursprünglich Gleichgesinnter immer weiter auseinander.

 

Flieg, kleiner Bienenkäfer, flieg ins Weite!