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Jetzt mal Kirche ökonomisch

Ich unterhalte mich mit einer Dame über die Veranstaltungen der nächsten Woche. Wir versuchen, zwischen meinen Kursen einen Termin zu zweit zu finden.
Sie: „Ja und dann ist am Dienstag auch wieder Andacht. Aber diesmal ökonomisch, mit Evangelen und Katholiken zusammen.“
Sie meinte natürlich die ökumenische Andacht zu Pfingsten. Ökumenisch bedeutet, dass die christlichen Kirchen unabhängig ihrer Ausrichtung zusammen Gottesdienst feiern oder gemeinsam Projekte verwirklichen, statt auf ihrer Unterschiedlichkeit zu beharren.

 

 

Wäre ich Pessimistin, würde ich sagen, dass ökumenisch tatsächlich ökonomisch ist:
Alle aussterbenden Evangelen mit aussterbenden Katholiken zusammen in einer gemeinsamen Kirche, und wenn sie nett sind, lassen sie die aussterbenden Freikirchen auch mitmachen.
Das würde zwar etwas unangenehm, weil sich plötzlich alle darüber einig werden müssten, ob sie Choräle singen und wenn ja, welche, und aus welchem Gesangbuch. Oder ob sie lieber moderne Songs mit Band singen, ob mit Schlagzeug oder ohne, auf deutsch oder englisch. Und darf ein Beamer für die Liedtexte über der Kanzel hängen?
Wer darf beten? Nur die Pastorin (bei den Evangelen) oder der Priester (bei den Katholiken) oder extra gebriefte, für würdig befundene Gemeindeglieder, die ihr Gebet artig vom Blatt ins Mikro lesen (handverlesene Evangelen und Katholiken mit anständigem Verhalten)?
Oder dürfen alle Anwesenden beten, egal wie alt, wie gebildet, wie konservativ oder linksliberal? Bei den Freikirchen ist das erlaubt, und bei unseren afrikanischen Mitbürgerinnen ist es sogar egal, wann und wie laut sie im Verlauf des Gottesdienstes beten (also immer, auch während der Predigt, und am liebsten sehr laut).
Außerdem, welche Bibelübersetzung sie nehmen: Wir Baptisten nehmen ja querbeet alle Übersetzungen, Hauptsache, sie gefällt uns persönlich. Aber die Evangelen müssen ja Luther lesen und die Katholiken die Einheitsübersetzung, weil: Das war schon immer so, das muss so.
Und dann müsste man nur noch auseinander dividieren, ob es eine unübersichtliche Zahl an gut bezahlten (rein männlichen) Priestern gibt, die in irgendwelchen Ämtern weiß der Geier was ihr Leben lang tun und über das Wohl und Wehe von Frauenrechten und Verhütung entscheiden. Oder ob man es wie die Freikirchen macht, die sich selbst finanzieren (d.h. keine Staatsmittel bekommen), und mit einem schlanken Organisationsmodell auf der Grundlage von Basisdemokratie leben. Wer Vertrauen missbraucht oder falsch wirtschaftet, wird abgewählt und entlassen, aus die Maus.

Also, ich sach mal, der Klärungsprozess und die Koalitionsverhandlungen können nur dreihundert Jahre dauern. Und wer weiß, ob es bis dahin überhaupt noch genug übrig gebliebene Christen gibt, um eine ökonomisch-ökumenische Kirche zu füllen.

Aber wie gut, dass ich keine Pessimistin bin!
(Sonst müsste ich ja selbst aufhören, die Freikirchen am Besten zu finden. Da ist es weniger anstrengend, einfach Optimistin zu sein! 😉 )

Und wie gut, dass Gott selbst Optimist ist und ihm unsere engstirnigen Urteile über jeweils andere Arten von Glauben und Kirche völlig egal sind. Weil er in seiner unfassbaren Weisheit alle Menschen liebt, alle Formen von Spiritualität und damit alle Kirchen.
Zu Pfingsten feiern wir den Geburtstag der ersten Kirche.
In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, du verquaster Haufen! Mögest du entgegen dem aktuellen Trend noch lange von Menschen mit Leben gefüllt werden, die aus vollem Herzen Gott auf der Spur sind.

 

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