aufmerksam, feminin

Das geheime zweite Leben der Logopädinnen

Meine beste Freundin stellte, meiner Einschätzung nach zu Recht, die These auf, dass die meisten Logopädinnen ein „geheimes zweites Leben“ haben:
So träumen viele Logopädinnen davon, ein zweites Standbein zu entwickeln oder ein „Alternativ-Leben“ zu gründen.
Meine Freundin erzählte mir, dass sie davon träume, Landärztin zu sein. Sie würde dann den Großteil des Tages im Garten verbringen und, wenn Notfälle am Gartentor klingeln, mal kurz die Gummistiefel ausziehen und die Dorfbewohner ins Untersuchungszimmer bitten.
Eine ihrer Kolleginnen träume davon, einen Woll-Laden zu eröffnen:
Sie würde dann den ganzen Tag gemütlich im Geschäft sitzen und stricken. Kunden würde sie freundlich bedienen und einladen, sich doch die Zeit zu nehmen eine Runde mit zu stricken – bei kostenlosen Tipps natürlich.
Eine andere würde ein biologisches Bistro mit einem gesunden Mittagstisch eröffnen, eine weitere ein Café mit selbst gebackenen Torten.
Und ich? Ich würde „Dekorations-Fachfrau“ werden, indem ich auf Wunsch Wohnungen und Häuser behutsam umgestalte.
Dazu würde ich ein gründliches Anamnesegespräch führen, um zu erfahren, was die Bewohner sich von ihrem Haus wünschen und welche Bedürfnisse ihnen im Leben wichtig sind. Dann würde ich sie gut zwei Monate lang ausquartieren und das Haus neu gestalten, inklusive vieler Kreationen meiner eigenen Nähmaschine. Anschließend würde ich das Haus oder die Wohnung den Besitzern übergeben, die so glücklich wären, dass sie mir noch jahrzehntelang Dankeskarten zu Weihnachten senden. Sehr gerne täte ich dies natürlich auch mit Ferienwohnungen…
Wenn das nichts wird, würde ich mich als Kuratorin versuchen (eine Runde Größenwahnsinn steht jeder  😉 ). Ich würde mich in der Kunst-Szene umschauen, eine unentdeckte Künstlerin finden, ihre Werke in passenden Sälen arrangieren und ein wunderbares Konzept bezüglich ihrer Individualität und der Botschaft ihrer Kunstwerke erstellen. So kämen die BesucherInnen mit neuen Sichtweisen auf die Welt, die Menschen und die Kunst aus der Galerie und würden vielfältige Inspirationen mit in den Alltag nehmen.
Das wäre großartig.

 

 

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2 thoughts on “Das geheime zweite Leben der Logopädinnen

  1. Marie, ich bin beeindruckt. Wie würde denn ein mögliches “Konzept bezüglich ihrer Individualität und der Botschaft ihrer Kunstwerke” aussehen? Geht es dir dabei darum, das möglicherweise Autobiografische der Künstlerin, das in ihren Kunstwerken transportiert wird herauszuarbeiten? Welche Aspekte umfasst Individualität ?
    Du kannst gern mal vorbeikommen und Vorhangvorschläge (am besten in blau) und ein Preisangebot machen!

  2. Danke für das ehrliche Kompliment. 🙂
    Der springende Punkt ist: Wenn ich eine Ausstellung verlasse und im Nachhinein noch recherchiere oder das Informationsmaterial der Kunsthalle/ des Museums genauer unter die Lupe nehme, fällt oft der Groschen bezüglich der Hauptaussagen der Künstlerin/ des Künstlers. Nachträglich.
    Meistens fällt es mir schwer, im Gewühle der Ausstellung die Informationen an den Tafeln in Ruhe zu lesen und wirklich zu verstehen. Auch das museumseigene Heftchen entwickelt meist erst in den späteren Stunden und Tagen, nach Verlasssen der Ausstellung, seine Wirkung.
    Kunst braucht Zeit.
    Das Durchdringen von Kunst braucht Zeit.
    Und so sehr ich versuche, mir im Museum Zeit zu nehmen, so schwer ist dies angesichts der Besucherströme, die gleichzeitig mit mir in den Sälen unterwegs sind und gefühlt „immer im Weg stehen“ (mit Sicherheit stehe ich auch anderen im Weg, davon mal ganz unabhängig ;-))
    Von daher ist eines meiner größten Anliegen diesbezüglich, die Besucher so umfassend auf die Künstlerin/ den Künstler einzustimmen, dass sich die Informationsvermittlung fast von allein ergibt. Sich zu Tafeln an den Saalwänden durchkämpfen zu müssen, um von dem Gesehenen zu profitieren, gehört meiner Empfindung nach abgeschafft. Über den Inhalt der Tafeln sollte gesondert nachgedacht werden.
    So überflüssig ich es finde, wenn das Stichwort „Intuitive Bedienung“ in Zusammenhang mit den aktuellen Mobiltelefonen u.ä. gebraucht wird – an dieser Stelle greife ich gerne darauf zurück.
    Zum Thema Individualität:
    Hart formuliert könnte man sagen, dass Kunst erst Kunst ist, wenn sie individuell ist. Stelle ich als These in den Raum und denke ich später weiter drüber nach ;-).
    Ich behaupte: Ohne das Wissen über die Biografie der Kunstschaffenden sowie ihre Persönlichkeit kann das daraus entstandene Werk nicht seine volle Wirkung entfalten. Ich denke an dieser Stelle an die britische Frau, die als Mädchen sexuelle Gewalt erfuhr und einen Großteil ihres Oevres dazu nutzt(e), diese Erfahrung zu bearbeiten, zum Beispiel in dem Zelt, das sie von innen mit den Namen aller Männer beschrieb, mit denen sie Sex hatte. Wenn du nichts über diese Frau wüsstest, bräuchtest du die ausstellende Galerie nicht betreten, weil der gesamte Sinn und Zusammenhang fehlt.
    Auf den Punkt gebracht würde ich als Kuratorin deutlich mehr Biographisches einfließen lassen, und das nicht als „emotionalen Dekor“ sondern als (einen) roten Faden.

    Den zweiten Punkt behandeln wir gern gesondert, ab deinem Geburtstag ist der stärkste Stress ja auch vorbei, dann habe ich wieder Kapazitäten frei…

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